(Redebeitrag von Karsten Schölermann, am 14. Juni während des AGENDA Musikwirtschaftsgipfel)
1. Grassroot-Förderung
Das ist ein Live-Musik-Club:
- Er hat mindestens 24 – in der Regel eintrittspflichtige Konzerte pro Jahr
- Die DJs, die er einsetzt, sind überwiegend „eigenkreativ“ – das heißt sie verändern die von Ihnen eingesetzten Soundfiles während der Aufführung.
- Er führt für seine Eintrittserlöse in der Regel 7% Mehrwertsteuer ab– denn spätestens seit dem „Dortmunder Technourteil von 2005“ setzt sich auch bundesweit die Erkenntnis durch, das auch Techno Kunst ist, sofern der DJ bei der Aufführung etwas „verändert“.

Wir nennen ihn „Grassrootclub“ – hier beginnt die Musik der Zukunft zu wachsen – nur leider wissen wir nie vorher, welcher der vielen Künstler am Ende zu den wenigen gehören wird, der bei uns die Schwelle vom Proberaum zum Produkt und vom Produkt zur Blüte überschreitet.
Seit der ersten Musikspielstättenerhebung 2009 wissen wir, dass es in Deutschland etwa 1500 „Grassrootclubs“ dieser Definition gibt.
Allen gemeinsam ist, dass sie nie mit dem Künstler mitwachsen, den sie entwickeln.
Ein Grassrootclub ist immer auf der Suche nach neuen musikalischen Trends – und Künstlern. Dafür muss er sich kümmern,
um Künstlerbooking, -betreuung, -unterbringung, -catering, -Kommunikation und Konzertwerbung (mit altmodischen Plakaten im öffentlichen Raum), Ausländersteuer, Künstlersozialabgaben und Urheberrechtsabgaben –
Aber auch um kunstferne Aufgaben wie Warenbeschaffung, Gastronomie, Verwaltung, Politik, Stadtteilentwicklung, Sponsoring, modernste Technische Ausstattung für Ton- und Lichttechnik, Innendesign, Arbeitsrecht, Mindestlohn, Unfallverhütung, Berufsgenossenschaft, Versicherungen u.v.a. beschäftigen.
Das Problem dabei ist: Er hat gar kein Personal dafür. Er macht das in der Regel als „one Man Show“.
Das tun wir als Kulturbetriebe eigentlich wiederwillig – denn wir haben nur mühevoll gelernt, das wir ohne Rechnen schnell pleite sind:
Die Musikwirtschaftsstudie von 2015 hat erstmals festgestellt das:
- Der geschätzte Gesamtumsatz der „Musik-Wirtschaftsbrache“ bei etwa 11 Mrd. € liegt
- Alle etwa 1500 Musikclubs davon nur lächerliche 2% – geschätzte 223 Mio € beitragen
- Das sind pro Musikclub im Schnitt 150.000 € Umsatz
- Trotz alledem ermöglichen die Akteure in ihren jeweiligen Clubs durchschnittlich – 119 Konzerte pro Jahr
- somit durchschnittlich 1260,– € Gesamtumsatz pro Konzerttag.Davon müssen Künstlergagen, Catering, die Techniker, Künstler-Werbung und Abgaben und noch der ganze gastronomische Wareneinsatz und das dafür erforderliche Personal bezahlt werden, der im übrigen etwa 70% der Erlöse beisteuert.
Sie merken schon, da bleibt kein Geld übrig für einen Intendanten – der heisst bei uns Booker – und arbeitet dann in der Regel erfolgsabhängig und bekommt nur Geld, wenn mal ein Konzert ausverkauft ist…
Und der Clubbetreiber selber arbeitet in der Regel für einen marginalen – eher ideelen Lohn.
Wir fassen zusammen: Wir brauchen eine flächendecknde Grasswurzelbehandlung für diese Musikclubpatienten –wenn wir deren Leistungskraft verbessern und würdigen wollen.
Die gute Nachricht ist: Wir haben da Lösungsansätze:
(1) Kleinstkonzert-Förderung („Grassroots“)
Für nur 100€ pro Kleinstkonzert (das ist ein Konzert mit bis zu 10€ Eintritt und weniger als 150 zahlenden Besuchern) können wir dem Club helfen, seine Schwellenkosten für KSK, den Gema-Mindestbeitrag, einen Kassierer und für das Künstlercatering („zwei Kisten Bier“) abzudecken.
Mit noch einmal 100€ Fahrtkostenzuschuss für die Künstler ist das Fördermodell schon fertig – denn auch diese müssen seine Schwellenkosten, z.B. die Fahrtkosten decken.
Wie soll das gehen ?
Wie in Hamburg beim erfolgreichen „LiveConcert Account“ kann diese Schwellenförderung sehr einfach – und unmittelbar – durch die Vorlage der Gema-Rechnung des Konzertabends überprüft und abgerechnet werden.
Das Prüfverfahren kann dabei stark vereinfacht und ökonomisiert werden.
Und: Wir können das! Zusammen mit der Initiative Musik sind wir bereit und in der Lage das abzuwickeln.
Denken Sie einmal über die Wirkung nach:
- Unmittelbare Stärkung der kreativen Freiräume für Kleinstkonzerte, Künstlerentwicklung
- Stärkung der Spieltage-Auslastung aller Clubs in Deutschland – wir haben derzeit nur 173 = 120 Öffnungstage.
- Erhöhung der Bereitschaft zu nichtkommerziellen Konzerten, „Entwicklungshilfe“ für alle Newcomer-Künstler.
2. Exzellenzförderung
Aber natürlich geht es neben den Grassroots auch um „Exellenzförderung“.
Und da haben wir zusammen mit BKM ein weiteres Erfolgsmodell auf die Beine/Bühne stellen dürfen – den Spielstättenprogrammpreis „APPLAUS“.
Eine Jury aus MusikerInnen und Clubveranstalter_Innen bewertet dabei in drei Größenkategorien den künstlerischen Wert der Vorjahresprogramme und prämiert diese mit 5000,– bis 40.000 €.
327 Preisträger gab es seit 2013 – mit derzeit 1.Mio Preisgeld pro Jahr.
Eine schöne Stange Geld – eigentlich – nur haben wir wie schon erwähnt 1500 Clubs in Deutschland. Eine Zahl um die uns Resteuropa beneidet. Jedes Jahr erhalten wir schon jetzt weit über 300 Bewerbungen – die weit über 40 verschiedene Musikgenres von Metalcore über Freejazz zu Techno abbilden.
Es gleicht daher einem Glücksspiel, ob ein Spartenclub in der Lage ist die jeweilige Jury zu mit seinem Qualitätsprofil zu erreichen. Wir brauchen tatsächlich eher 200 als 40 Preisträger pro Jahr – um diese Bandbreite auch qualitativ abbilden und fördern zu können.
Wieder: Denken Sie über die Wirkung nach:
- Erhöhung der künstlerischen Qualität und Sicherung der kulturellen Vielfalt
- Verbesserung der musikalischen Qualität der Musikprogramme der Clubs,
- Erhöhung der Gagen für Livemusik auch experimenteller Sparten
- Stärkung der kreativen Freiräume für Exzellenzkonzerte, Künstlerentwicklung
- Stärkung der Gagenbedingungen für professionelle Künstler.Das Prüf-Verfahren hat sich bewährt, die Abwicklung ist erlernt, der Austragungsort wechselt jährlich (alle Bundesländer).
Lassen Sie uns diesen Leuchtturm entwickeln und strahlkräftig machen.
Und dieses wirkungsmächtige Qualitätssicherungs- und Förderprogramm mutig auf 5.Mio erhöhen.
(Etwa 50×40.000 (Kat.1, Vielveranstalter ab 100 Konzerte), 50x 20.000 (Kat. 2, 50 – 100 Konzerte) 100x 10.000 (Kleinstclubs /Serien) pro Jahr.)
3. Briefing „Technische Erneuerungs- & Sanierungsbedarfe der Zukunft“
Und damit dann auch die technischen Rahmenbedingungen stimmen – und mitwachsen können haben wir in den vergangenen drei Jahren mit Hilfe der drei technischen Digitalisierungs- und Sanierungsprogramme (Digi-Invest & TeSa) , wieder in Zusammenarbeit mit der Initiative Musik und BKM, erfolgreich begonnen, die Clubs technisch zu entwickeln.
• Von 746 eingegangenen Anträgen, konnten 563 bearbeitet werden
• Teilgenommene Clubs (Digi & Tesa) 350
• 3,5 Mio Euro seit 2016
Diese Programme müssen noch mindestens 5 Jahre mit 1 Mio pro Jahr aufrecht erhalten um den Erhalt des internationalen Standards („Wettbewerbsfähigkeit“) unserer Musikspielstätten zu sichern.
Unsere drei dargestellten Förderungssäulen würden den Bund 16 Mio. pro Jahr kosten. Dafür bekommen Sie 1500 Musikclubs bundesweit stabilisiert. Soviel sollte uns undere Musikalische Zukunftsfähigkeit doch Wert sein…