Clubs und Festivals unter immensem Kostendruck können entlastet werden – dazu braucht es jetzt den politischen Rückenwind
Die LiveKomm, der Bundesverband der Musikspielstätten, begrüßt die zügige Zusammensetzung einer neuen Regierung. Damit verknüpfen wir als Branchenverband die Hoffnung auf eine vollständige gesetzliche Berücksichtigung von Musikclubs als Kulturorte und Wirtschaftsfaktor, die seit zwei Legislaturperioden umgesetzt werden soll. Insbesondere setzt die LiveKomm auf politische Unterstützung wichtiger Eigeninitiativen der Branche, die darauf abzielen, die existenziell bedrohliche Situation der Club- und Festivallandschaft zu verbessern. Denn trotz beeindruckender wirtschaftlicher Zahlen des Live Entertainments krankt der Motor der Liveszene, die kleinen Musikspielstätten, unter strukturellen Defiziten und stark gestiegenem Kostendruck.
Hamburg/Berlin, 13.05.2025 – Die Live Entertainment-Branche ist mit über 115 Millionen verkauften Tickets, einem jährlichen Gesamtumsatz von rund 6 Milliarden Euro und 70.000 Beschäftigten die wirtschaftliche Basis der drittgrößten Musikwirtschaft der Welt. Ihre Strahlkraft ist immens: Allein für den Tourismus ergeben sich durch sie jährlich 11,7 Mrd. Euro Umsatz. Die touristische Attraktivität etwa von Ballungszentren wie Berlin oder Hamburg ist primär ihrem vielfältigen Kulturangebot zu verdanken. (Vgl. Musikwirtschaftsstudie 2024)
Entscheidend für das Funktionieren der Livemusik-Branche ist der „Circle of Live“: Kleinen Künstler*innen, Nachwuchs und Experimenten kann eine Bühne geboten werden, weil die Einnahmen aus größeren Live-Veranstaltungen die Defizite dieser oft schlechter besuchten Konzerte kompensieren. So werden auf den kleinen Bühnen die Stars von morgen geformt. Jedoch ist der verfügbare finanzielle Spielraum seit jeher hier sehr klein, denn die durchschnittliche Umsatzrendite im Clubbereich liegt bei nur 3%. Der hohe Kostendruck durch immer höhere Mieten, mehr Ausgaben für Energie u.v.m. bedroht den „Circle of Live“ und lässt den Livesektor als Motor der Musikwirtschaft stark schwächeln. Dies gefährdet die Nachwuchsarbeit sowie die kulturelle Vielfalt in Deutschland und Europa.
Um diese Entwicklung zu ändern, bleiben die Förderprogramme für Musikclubs und Festivals der Initiative Musik wichtig; doch bemüht sich die Branche auch, mit eigenen Konzepten die Lage zu verbessern. Drei zentrale Maßnahmen seien nachfolgend benannt.
Mit kostenneutralem Investitionsfonds die energetische Nachhaltigkeit fördern
Durch Investitionen in ökologische Nachhaltigkeit lässt sich zugleich der akute Kostendruck absenken. Die Ausgaben für Energie sind eine sehr wichtige Stellschraube, insbesondere für kleine Spielstätten bis zu einer Kapazität von 200 Personen: Diese haben einen deutlich höheren Stromverbrauch pro qm bzw. pro Person im Verhältnis zu den durchgeführten Veranstaltungen. Das bedeutet: Der Kostendruck ist hier klar höher. Kleine Musikspielstätten zahlen aktuell das 3- bis 4-fache an Energiekosten im Vergleich zu größeren Venues.
Geholfen wäre Clubs und Festivals allerdings nur dann, wenn sie energieffizienter werden könnten, etwa durch bessere Dämmung u.ä. Um solche Investitionen in Effizienz zu ermöglichen, schlägt die LiveKomm einen Fonds zur Realisierung investiver Maßnahmen in die ökologische Nachhaltigkeit vor. Die Umsetzung könnte in Form eines revolvierenden Investition-Kreditprogramms des Bundes erfolgen, wie bspw. der Bildungskredit. Das Kreditprogramm soll Investitionen ermöglichen und sich aus eingesparten Kosten langfristig refinanzieren.
Der Bedarf ist groß: Über 74% der Clubs und 54% der Festivals gaben in einer aktuellen Mitgliederbefragung des Bundesverbandes LiveKomm (insgesamt 750 Mitglieder) zum Thema an, gerne zukünftig in energieeffiziente Maßnahmen für die ökologische Transformation investieren zu wollen, sofern die Möglichkeiten dafür vorhanden seien.
Spielstätten fehlen Eigenmittel für Investitionen, übliche Förderprogramme sind unpassend. Ein niedrigschwelliges Programm ist nötig. Bei 250.000 Euro pro Einrichtung und 500 teilnehmenden Clubs/Festivals über zehn Jahre benötigt der revolvierende Investitionsfonds beim Wirtschaftsministerium 1,5 Millionen Euro jährlich. Nach zehn Jahren wird er selbsttragend. Insgesamt sind über den Zehn-Jahres-Zeitraum 125 Millionen Euro im Bundeshaushalt erforderlich, die durch das Kreditmodell dauerhaft erhalten bleiben.
Bundesschallschutzprogramm schützt bestehende Musikspielstätten, befriedet nachweislich und spart Kosten
Bereits Anfang des Jahres sollte das Bundesschallschutzprogramm als Pilotprojekt starten, nachdem der Vorreiter Berlin seit Jahren mit dem Instrument hervorragende Erfahrungen aufzeigen kann. Drei Millionen Euro sind seitens des BMWSB im Jahr 2025 für Maßnahmen zur Eindämmung von Schallemissionen vorgesehen. Die bereits budgetierte Summe sollte möglichst zügig über die Initiative Musik zur Verfügung stehen, um in einem ersten Schritt aufzuzeigen, wie entsprechende Investitionen in Dämmung oder moderne Noise Cancelling-Anlagen dabei helfen, Nachbarschaftskonflikte zu reduzieren. Dies ist eine der effektivsten Investitionen in den wirksamen Schutz bestehender Clubs und Festivals – und würde zudem zur Kosteneinsparung beitragen, denn bessere Schalldämmung geht zumeist mit höherer Energieeffizienz einher.
Live Music Fund: Langfristige Stabilisierung der Livebranche durch gemeinschaftliche Abgabe
Flankierend zu den beiden o.g. Initiativen arbeitet die Bundesstiftung LiveKultur mit dem Live Music Fund analog zu den erfolgreichen Modellen Beispielen aus Frankreich und UK an einem branchenweiten, innovativen Finanzierungsmodell, in dessen Rahmen Ticketanbieter, Veranstalter und Livemusik-Akteure einen gemeinschaftlichen Beitrag zur Finanzierung der Live-Branche leisten. Dies erfolgt über eine Abgabe pro Ticketverkauf, die direkt in den Live Music Fund fließt. Zusätzlich könnten Veranstalter*innen und Künstler*innen bei großen Arena-Shows weitere Spenden tätigen. Mit diesen Geldern sollen gezielt Projekte und Maßnahmen finanziert werden, die zur Zukunftssicherung der Livemusikbranche beitragen und den „Circle of Live“ stützen und erhalten. Schwerpunkt der Förderungen sind Ausbildung, Qualitätssicherung, Nachhaltigkeit und Nachwuchsförderung innerhalb der Livebranche. Förderprogramme für Grassroot Venues, eine Erst-Tourneeförderung, Festivalförderung und eine Veranstaltungsversicherung sind in Vorbereitung.
Mankel Brinkmann, Vorsitzender der LiveKomm: “Die Livebranche hat sich stets durch ihre Innovationskraft ausgezeichnet und gezeigt, dass sie selbst unter schwierigsten Bedingungen die Fähigkeit besitzt, sich neu aufzustellen und weiterzuentwickeln. Auch in der aktuellen Phase der Transformation stehen zahlreiche Programme und Brancheninitiativen bereit, die mit gezielter staatlicher Unterstützung – durch Rückhalt und moderate Investitionen – rasch Wirkung entfalten könnten.”