Stellungnahme der LiveKomm zur Baugesetzbuchnovelle: Bundeskabinett ignoriert Anliegen der Musikspielstätten und Clubkultur

Die Beschlussfassung im Bundeskabinett zur Novelle des Baugesetzbuchs aus dem Haus von Minister Horst Seehofer enthält trotz vielerlei Bemühungen keine Vorschläge Musikclubs als Kultureinrichtungen anzuerkennen.

Auch die Forderung nach einer „Experimentierklausel Lärmschutz“ wurde in der vorliegenden Baugesetzbuchnovelle nicht berücksichtigt. Die Experimentierklausel, die den Ländern mehr Freiheiten bei der Ausgestaltung von Lärmrichtwerten einräumen sollte, fehlt, obwohl diese mehrfach in Aussicht gestellt wurde.

(C) Tagesspiegel

Thore Debor kommentiert daher als Sprecher der LiveKomm Arbeitsgemeinschaft Kulturraumschutz: „Die Bundespolitik fasst die Baugesetzgebung nicht jeden Monat an. Mit der jetzigen Verabschiedung des Baulandmobilisierungsgesetzes besteht eine Chance, Änderungen im Baugesetz und der Baunutzungsverordnung herbeizuführen, die künftig eine kultur-integrierte Stadtentwicklung begünstigt. Wer die „gemischte Stadt“ nach der Leipzig-Charta anstrebt, muss jetzt handeln und die Anliegen der Musikclubs berücksichtigen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass dies frühestens in der nächsten Legislatur erfolgt. In Zeiten der Corona-Pandemie und einer Clubkrise mit historischen Ausmaß muss jetzt unbedingt zukunftsweisend gehandelt werden.“

Musikclubs in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) als Kultureinrichtungen einzustufen und anzuerkennen ist eines der zentralen Anliegen des Bundesverbandes der Musikspielstätten in Deutschland, LiveKomm, im dem über 650 Clubs und Festivals organisiert sind.

Bisher werden Musikclubs von der Rechtsprechung als Vergnügungsstätten, gleichgesetzt wie Bordelle und Spielhallen behandelt. Das hat zur Folge, dass sie in vielen Fällen der bisherigen Stadtplanung nicht berücksichtigt werden und bei der baulichen Entwicklung von Gebieten ersatzlos verschwinden. Musikclubs mit kuratiertem Kulturprogramm wie Konzerthäuser oder Programmkinos zu behandeln, wäre ein Schritt mit Signalwirkung, um einen zeitgemäßen Kulturraumschutz für diese Einrichtungen zu erwirken.

 Aus Sicht der LiveKomm bedarf es für die Rechtsprechung dringend einer Neuregelung bzw. der Klarstellung, dass Live-Musikspielstätten, welche kulturelle und künstlerische Zwecke verfolgen (gemäß Definition[1]), künftig als Anlagen für kulturelle Zwecke (und nicht weiterhin als Vergnügungsstätten) gelten und sie somit – in Abgrenzung zu Diskotheken – als Kultureinrichtung zu definieren. Musikclubs sind rechtlich mit Opern- und Theaterhäusern, Konzertsälen sowie Programmkinos gleichzustellen und somit angemessen wertzuschätzen.

Diese „Legaldefinition“ könnte mit einem Klammerzusatz in der BauNVO an der Stelle erfolgen, an der Anlagen für kulturelle Zwecke erstmals aufgeführt werden: § 2 Absatz (3) Satz 2. Die LiveKomm schlägt für eine begrenzte Zulässigkeit – speziell in Wohngebieten – eine abgestufte bzw. eingeschränkte Größenordnung vor, die eine gewisse Flexibilität beinhaltet, um lokale Gegebenheiten berücksichtigen zu können.

Gruppenbild mit Abgeordneten und Sachverständigen des Fachgesprächs zur Clubkultur: V.l.n.r.: Fritz Kühn (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Klaus Mindrup (SPD), Kai Wegner (CDU), Erhard Grundl (Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Pamela Schobeß (Gretchen / Clubcommission Berlin), Steffen Kache (Distillery / LiveKomm), Caren Lay (DIE LINKE), Cansel Kiziltepe (SPD) und Jakob Turtur (Jonny Knüppel / Clubcommission Berlin)

Nach einem Fachgespräch des Bauausschuss im Deutschen Bundestag im Februar 2020 mit dieser Thematik haben sich parteiübergreifend bislang 119 Bundestagsabgeordnete dieser zentralen Forderung angenommen und Bundesbauminister Seehofer in einem Brief übermittelt.

 Im nun folgendem parlamentarischen Verfahren können noch entscheidende Ergänzungen eingebracht und vom Parlament verabschiedet werden. Die Hoffnungen ruhen hierzu besonders auf dem interfraktionellem Parlamentarischen Forum Nachtleben & Clubkultur, das sich sehr intensiv für die Anerkennung von Clubs als Kultureinrichtungen einsetzt.

Anlagen:

Stellungnahme der LiveMusikKommission e.V. (kurz: LiveKomm): Baugesetzbuchnovelle: Bundeskabinett ignoriert Anliegen der Musikspielstätten und Clubkultur

Stellungnahme der LiveMusikKommission e.V. (kurz: LiveKomm) zum öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen am 12. Februar 2020
(03.02.2020)

LiveKomm Positionspapier: Musikspielstätten sind keine Spielhallen, Sex-Kinos und/oder Wettbüros Einstufung in der BauNVO als Anlagen kultureller Zwecke anstatt als Vergnügungsstätten

[1] Definition Musikspielstätte:

  1. Mindestens 24 Live-Veranstaltungen pro Jahr nach GEMA-Tarif U-K (Live-Konzerte) oder in den Musikclubs spielen überwiegend künstlerische DJ´s. Treten in der Spielstätte überwiegend DJs auf, so muss die Mehrzahl der Veranstaltungen durch “künstlerische DJ’s”, das sind DJs, die Musik produzieren und/oder Labels betreiben, bestritten werden.
  2. Die Besucherkapazität beträgt maximal 2.000 Personen.
  3. Die Präsentation von Künstler*Innen steht im Fokus (auch in der Öffentlichkeitsarbeit). Musikspielstätten realisieren ein ständig wechselndes Monatsprogramm mit Konzerte regionaler, nationaler und internationaler Künstler. Dies wird durch eine kuratierende Arbeit gewährleistet.
  4. Im Unterschied zu Diskotheken führen gebuchte Künstler*Innen in der Regel ihre eigenproduzierten Titel auf bzw. verfügen die Künstler*Innen über eigene Veröffentlichungen.