Der Föderalismus gibt Antworten. Sie sind kompliziert.
Grundsätzlich sind für die in der LiveKomm versammelten Clubs und Festivals, die ihrem Publikum kuratierte Programme von Bands, DJs und anderen Acts bieten, viele Bereiche der Verordnungen interessant. Da geht es um Veranstaltungen drinnen und draußen, da geht es um “Kultureinrichtungen”, Gastronomie oder “Bordellbetriebe, Prostitutionsstätten, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen” (Danke Bayern). Schöne deutsche Wörter wie “Tanzlustbarkeiten” spült die Pandemie aus dem 19. Jahrhundert hervor und generell sucht jedes Bundesland einen eigenen Weg.
Folgend wollen wir das für die Clubkultur identitätsstiftende “Tanzen” in den unterschiedlichen Verordnungen zum Stand Ende Juni quer durch die Republik beleuchten.
Eindeutige Verbote sprechen Baden-Württemberg, Bayern, Bremen und Hamburg aus. In Hessen reicht ein einfaches Verbot nicht, hier gilt die Anordnung: “Es sind räumliche Vorkehrungen zu treffen, die das Durchführen von Tanzveranstaltungen verhindern.” Wie dies umzusetzen ist, bleibt offen – Hindernisse? Geröll? Stacheldraht?
Mecklenburg-Vorpommern weist mit kernig-norddeutschem Ton an: “Tanzen und ähnliche Aktivitäten sind verboten“!
In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt dürfen immerhin schon 50 Personen an der frischen Luft tanzen. Einzig in der Hauptstadt dürfen bis zu 250 zeitgleich Anwesende mit Abstand losraven.
Niedersachsen und Thüringen macht es von Inzidenzwerten abhängig, ob in den Städten und Landkreisen das Tanzbein geschwungen werden darf. Bei Werten unter 35 ist es Clubs und Diskotheken in Niedersachsen erlaubt, mit 50% Kapazitätsauslastung, Test, Maske und Abstand zu öffnen. Außerdem sind Open-Air Veranstaltungen “mit mindestens zeitweise stehendem Publikum” bis verschiedenen Personenzahlen, je nach Inzidenzlage, gestattet. Auf Nachfrage antwortete das Ministerium: “Auch ist den Besuchern dieser Veranstaltungen das Tanzen nicht verboten, soweit das Abstandsgebot (…) eingehalten wird”. Thüringen will sich nicht wirklich festlegen: “nach Erlaubnis der zuständigen Behörde” ist bei einer Inzidenz unter 35 auch eine Öffnung von Clubs und Diskotheken und damit das Tanzen nicht ausgeschlossen. Ebenfalls hat Schleswig-Holstein Schwierigkeiten eine klare Strategie der Pandemiebewältigung zu finden, Clubs und Diskotheken sind geschlossen, private Feiern bis 125 Personen sind erlaubt, bei nicht privaten Anlässen nur mit Maske – aber nicht in Clubs und Diskotheken.
Wenn der Kern nicht ein bitterernster wäre, ließe sich der föderale Wahnsinn durchaus als humoristische Bereicherung betrachten. Doch die Zeiten verlangen ernsthafte Erklärungen der Regelungen seitens der Politik für Menschen, die sich durch den Verordnungsdschungel kämpfen und die Welt nicht mehr verstehen. Letztlich geht es um Existenzen und darum, wie wir als Gesellschaft gemeinsam durch die Pandemie kommen. Die Verordnungen müssen eine Realität abbilden – und in unserer Realität bewegen sich Menschen, Tanzen und gehen aufeinander zu.
Die nächste Verordnungsrunde steht vor der Tür und es scheint, dass Lockerungen in Sicht sind. Auch fürs Tanzen. Dies muss dringend von Bayern bis Schleswig-Holstein einheitlich umgesetzt werden, denn nur so können Alternativen für nicht angemeldete Veranstaltungen in Parks und im öffentlichen Raum geschaffen und Reisen in andere Bundesländer oder sogar ins benachbarte Ausland reduziert werden. Auch mit Blick auf die vierte Welle müssen Vorbereitungen getroffen werden, wie ein Lockdown verhindert werden kann. Die Branche bereitet sich mit Pilotprojekten unter wissenschaftlicher Begleitung vor und erwartet von der Politik, dies ebenfalls zu tun.
Anhang_LiveKomm_Übersicht Bundesländer_Wo darf wie getanzt werden_Stand_170621