Referentenentwurf zur TA Lärm liegt vor # LiveKomm verfasst Stellungnahme # Verbände und Bundesländer können bis zum 21. Juni Positionen einreichen
Der vorgelegte Entwurf einer Lärmschutznovelle verpasst das Ziel, Kultur zu schützen und moderne Stadtentwicklung zu fördern. Bauprojekten werden zusätzliche Hürden gesetzt, für bestehende Kulturorte gibt es keine nennenswerten Verbesserungen. Die mancherorts minimal angehobenen Dezibelgrenzen werden in städtischen Gebieten allein schon durch Verkehrsgeräusche überschritten. Überdies wird die komplizierte Neuregelung in der Praxis kaum Anwendung finden.
Seit dem 21. Mai 2024 liegt seitens der ministeriellen Fachebene des Bundesumweltministeriums der „Entwurf einer Zweiten Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ vor. Zwar enthält der Entwurf den Vorschlag, dass in bestimmten Bereichen nachts höhere Lärmwerte gelten dürfen, wenn bestimmte Voraussetzungen unter strengen Vorgaben erfüllt sind. Jedoch werden diese Grenzwerte kaum je greifen, da die Paragraphen so viele Bedingungen und Vorgaben vorsehen, dass in einer künftigen Wohnungsbaupraxis kaum eine spürbare Relevanz zu erwarten ist.
„Bislang sind insbesondere keine substantiellen Verbesserungen für den Bestand von Kulturorten bei heranrückender Wohnbebauung vorgesehen, sondern lediglich bei Bauvorhaben, bei denen Bebauungspläne geändert werden müssen. Die meisten Bauprojekte finden jedoch nicht auf der Basis neuer Bebauungspläne statt, sondern auf der Basis bereits bestehenden Bauplanungsrechts oder gewachsener Strukturen ohne Bebauungsplan. Wenn dies so bliebe, wäre die neue Verordnung reine Symbolpolitik, die uns in diesem Fall leider nicht hilft“, stuft Christian Ordon, Geschäftsführer der LiveKomm, den Entwurf ein.
Konkret sollen demzufolge die Immissionsrichtwerte nachts außerhalb von Gebäuden in urbanen Gebieten von 45 dB(A) auf 50 dB(A) angehoben werden und in Kern- und Mischgebieten auf 48 dB(A). In allgemeinen Wohngebieten sollen sie bei 43 dB(A) liegen. Die Regeln sollen im Rahmen einer Experimentierklausel zunächst bis Ende 2032 gelten.
Der Referentenentwurf liegt somit weit hinter den Erwartungen der Live-Branche. Die LiveKomm hat daher eine ausführliche Stellungnahme vorgelegt. Die Vereinbarung von SPD, GRÜNE und FDP sieht im Kapitel „Bauen und Wohnen / Städtebau“ (auf Seite 93) vor, dass die TA Lärm modernisiert und an die geänderten Lebensverhältnisse in den Innenstädten anpasst wird, um Zielkonflikte zwischen Lärmschutz und heranrückender Wohnbebauung aufzulösen. Dabei soll auch der kulturelle Bezug von Clubs und Livemusikspielstätten berücksichtigt werden.
Auch die Immobilienbranche zeigt sich verhalten. Der große Wurf werde die Vorschrift nicht, heißt es in ersten Reaktionen. So titelt die Immobilen-Zeitung: „Neue TA Lärm bringt Schranken statt Chancen“.
Der vorliegende Entwurf bildet innerhalb der Bundesregierung eine erste Diskussionsgrundlage, es können derzeit noch bis zum 21.06.24 Änderungsvorhaben über die Bundesländer oder die Ministeriumsleitung einfließen. Für viele Kulturschaffende wäre es enttäuschend, wenn diese Chance auf erleichternde Schall-Immissionsschutzregeln ungenutzt bliebe. Die fiktive Nachtruhe bliebe weiterhin der heilige Gral, die oftmals insbesondere in innerstädtischen Lagen allein durch den Straßenlärm kaum erfüllbar ist, da der allgemeine Verkehr bereits oberhalb der nach TA-Lärm erlaubten Grenzwerte liegt. Treten dort dann Kulturschallereignisse (z.B. durch Menschen bei der An- und Abreise) auf, werden diese rechtlich weiterhin verunmöglicht. Die Kultur wird so einer Verödung der Innenstädte – insbesondere in den Nachtstunden – kaum entgegenwirken können.
„Die Kernfrage, die die Bundesländer und die Politik sich dieser Tage stellen muss, lautet: Wie viele Menschen und deren Immissionen bei An- und Abreisen sind nachts erlaubt, gewünscht und tolerierbar? Einer ‚Experimentierklausel‘ sollte man zudem ansehen, dass die Beteiligten gewillt sind, ein ‚Experiment‘ zu wagen.“, kommentiert Thore Debor, Sprecher der LiveKomm AG Kulturraumschutz und fordert Anpassungen beim Ausgleich von Interessen beim Schallimmissionsschutz für Bestandsbetriebe.