„Making Listening Safe“ vs. „Music is not noise“

Blogbeitrag von Thore Debor (Sprecher AG Kulturraumschutz)

Im September 2019 trafen sich erstmals Audrey Guerre und Marc Wohlrabe von der Live DMA mit Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf.

Gesprächsauslöser waren die von der WHO im Oktober 2018 veröffentlichen Lärmrichtlinien für die europäische Region, in denen Lärm als eine der größten Umweltgefahren für die körperliche und geistige Gesundheit und das Wohlbefinden identifiziert wurde. In ihren Richtlinien definiert die WHO Geräusche, die von Live-Musikdarbietungen stammen, als „Lärmbelästigung“ und stuft Musik als „Freizeitlärm“ mit schadhaften Geräuschen gleich, die von motorisierten Fahrzeugen erzeugt werden. Laut WHO gehört zum Freizeitlärm der Besuch von Nachtclubs, Pubs, Konzerten und Musikveranstaltungsorten.

Als Folge dieser Veröffentlichung erarbeitete der europäische Verband der Clubs, Festivals und Musikspielstätten Live DMA in zwei paneuröpischen Workshops das PositionspapierMusic is not noise, das sich an die Politik und Behörden richten und in die Thematik von regulativen Soundmanagement einführt.

Auf Basis dieses Papiers kam es in der Schweiz zu einem persönlichen Kennenlernen und Gedankenaustausch:

Die WHO berichtete in dem Gespräch, dass die im Jahr 2018 veröffentlichten Richtlinien  als Grundlage dienen, um weltweite Standards festzulegen, die ab Mitte 2021 bereit stünden, um dann in nationale Gesetzgebungen übertragbar zu sein. In Deutschland wird sich dann das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium für eine Umsetzung verantwortlich zeichnen.

Derzeit befindet sich ein WHO-Team mitten in der Beratungsphase zur „Förderung des sicheren Zuhörens in Veranstaltungsorten“. Schätzungen der WHO zufolge sind mehr als 40% der jungen Menschen, die Veranstaltungsorte besuchen, lauten Geräuschen ausgesetzt, die ihr Gehör gefährden sollen. Ein durch laute Geräusche verursachter Hörverlust sei dabei meist irreversibel.

Die Live DMA verwies darauf, dass Klangempfehlungen zur Musiknutzung nicht die Freiheit der Kunst und das Wohlbefinden, das auch intensiver Musikkonsum mit sich bringt einschränken darf. Hier stehen insbesondere Musikerfahrungen und Stile mit im Vordergrund, deren intensive Musikerfahrung einer positiven Karthasis gleich zu setzen ist. 

Mit der WHO-Initiative „Make Listening Safe“ zur Schallregulierung ist mit umfassenden Auswirkungen auf den Live-Musiksektor zu rechnen. Ob mit neuen Vorschriften für Präventivmaßnahmen (Bsp.: Hinweisschilder die dem Publikum den aktuellen Schallpegel in der Venue, aber auch die Notwendigkeit von „Chill Rooms“ (Ruhezonen), beim Bau neuer Musikclubs bis zu möglichen, strenge(re)n Schallgrenzwerten. Strengere Auflagen würden jedoch zusätzliche, teure Investitionsbedarfe erzeugen, die von kleinen Clubs, Festivals und insbesondere im Newcomer und Nachwuchs-Bereich nicht einfach zu finanzieren sind. Hier steht teurer Technik- und Reglungsbedarf klar gegen die Entwicklungschance von neuen Betreibern, was zu einer weiteren Verarmung der Szene und des Musikbereichs führen würde. 

In den nächsten Schritt wird das WHO-Team eine Reihe von Experteninterviews durchführen, Umfragen zur Datensammlung starten und Stakeholder konsultieren. Die LiveKomm  arbeitet zur Zeit daran, diesen Sachstand innerhalb der Musik- und Clubbranche zu verbreiten und Verbündete bei weiteren Verbänden zu identifizieren, um künftig gemeinsam negative Auswirkungen entgegenzutreten.

Weitere Infos zur Arbeit der AG:

www.livemusikkommission.de/arbeitskreise/kulturraumschutz/