LiveKomm setzt Kulturraumschutz auf die Agenda

(von Thore Debor, Clubkombinat Hamburg e.V.,
Sprecher AG Kulturraumschutz)

(C) Tagesspiegel

Auf Einladung des Tagesspiegels bündelten 15 Verbände der Musikbranche beim  1. Musikwirtschaftsgipfel ihre Ideen und Forderungen gegenüber der Bundespolitik. Die LiveKomm präsentierte bei der Session Umwelt & Infrastruktur drei Punkte für einen Kulturraumschutz und diskutierte diese im Anschluss in der Expertendiskussion mit Vertretern der Bundespolitik und Wissenschaft. Hier der Auszug aus dem Stakeholder-Briefing:

1. Agent of change im Bundesbaurecht implementieren

Was verbindet Paul McCartney mit Horst Seehofer? Der ehemalige Beatles setzt sich in Großbritannien erfolgreich für das Agent of change-Prinzip ein, das – in Kurzform – besagt, dass bei Nachverdichtungen die heranrückenden Neubauten für den Lärmschutz im Umfeld zu sorgen haben. Das müsste in Deutschland die Aufgabe von Horst Seehofer sein, der das Bauen&Wohnen-Ressort künftig im Innenministerium beheimatet.

Kampange des Music Venue Trust

Als Club-Verband registrieren wir zunehmend Lärmbeschwerden von AnwohnerInnen, insbesondere in Ausgehvierteln und fragen uns somit, wo in Zeiten des Immobilienbooms die Orte für Live-Musik noch Raum finden, wenn durch die Nachverdichtung schnell Lärmschutzinvestitionen in 6-stelliger Größenordnung die Normalität werden.

Der Club kann diese Summen in der Regel nicht aufbringen und wird an den Stadtrand verdrängt oder muss im schlimmsten Fall schließen. Aber: Sollen Musikerinnen nur noch in Industriegebieten eine Bühne und Publikum finden? Ist das der Ort, wo die Musikbranche künftig noch Talente entwickeln kann und soll?

In London schlossen bereits jährlich bis zu 80 Musikbühnen unwiderruflich ihre Türen und die Künstler und Live-Bands verloren zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten. Diese Entwicklung führte auch bei den großen UK-Festivals wie Glastenbury zu spürbaren Folgen beim Headliner-Booking.

Damit diese Negativ-Entwicklung nicht auch in Deutschland einsetzt, benötigen wir JETZT ein Umdenken in der Stadtentwicklungspolitik:

Die neu-eingeführte Gebietskategorie urbanes Mischgebiet schien hierfür eine gute Gelegenheit.  Auf der Ziellinie wurden die Grenzwert in den Nachtstunden bei 45 dB(A) jedoch nicht erhöht, so dass diese Regelung keine Verbesserungen für Musikspielstätten darstellt.

Ein neuer Ansatz ist daher für uns, das „Agent of Change“-Prinzip, das Investoren und Bauherren bereits in den Planungsverpflichtungen auferlegt, durch ein gutes akustisches Design für die Minimierung potenzieller Lärmauswirkungen beim Neubauvorhaben zu sorgen. Lärmsensitive Bauvorhaben sollten soweit wie möglich von bestehenden Musikclubs zum Beispiel durch Entfernung, Abschirmung, Innenausbau, Schalldämmung und Isolierung getrennt werden.  Die Kosten hierfür sind dem Bauherr aufzuerlegen. Ein Lösungsbeispiel ist das Hamburger HafenCity-Fenster.

Abstimmungsergebnis beim Musikwirtschaftsgipfel

Das dies keine Träumerei – sondern bereits praktizierte Politik ist -, zeigen aktuelle Beispiele aus Australien und Großbritannien. Auch in Deutschland brauchen wir eine „Agent of Change“-Gesetzesinitiatve.

 

 

Forderung 1: Wir fordern das „Agent of Change Prinzip“ im Städtebau: Heranrückende Neubebauung muss für erforderlichen Lärmschutz selbst sorgen.

Renate Künast bei der AGENDA Spezial

2. Musik mit Sonderrechten im Bundesbaurecht ausstatten
Ein anderer Ansatz, diese Problemlagen zu lösen, wäre es, Musik nicht als „Lärm“ einzustufen, sondern als schützenswertes Gut zu behandeln.
Im Sport ist die Politik schon weiter: Emissionen von Sportanlagen durch Freizeit- und Jugendnutzungen sind gesetzlich privilegiert und genießen Sonderrechte.
Analog müssten auch Emissionen von Kultureinrichtungen bewertet und behandelt werden, denn Musik macht glücklich und fördert erwiesenermaßen die Gesundheit. Sie liefert den Sound einer lebendigen Stadt und ist ein Stück urbane Lebensqualität. Clubbesuche bieten Freizeit & Erholung sowie kulturelle- und soziale Teilhabe – FÜR ALLE.
Daher sehen wir es als notwendig an, die Emissionen, die von Musikveranstaltungen ausgehen auch mit Sonderrechten im Bundesbaurecht auszustatten. Gegenwärtig werden wir mit Verkehrslärm und Baulärm in eine Ecke gestellt.

Forderung 2: Musik ist kein Lärm, wir fordern ein Sonderrecht „Musik“, das Emissionen von Musikclubs und Festivals gesondert bewertet und behandelt.

3. Kultur in der Stadtentwicklung berücksichtigen

Letztlich sind die Themen Stadtentwicklung und Kulturräume strukturell künftig stärker zu erörtern und zu verbinden.
Als symbolischer Auftakt wäre die Aufnahme der LiveKomm als Verband in das Kuratorium zur „Nationalen Stadtentwicklungspolitik“ ein erster sichtbarer Schritt. Denn bisher ist in diesem Gremium kein Vertreter von Kulturbetrieben/Spielstätten vorhanden. Dabei sind es u.a. diese Räume, die den Motor für Stadtentwicklung bilden.

Forderung 3: Aufnahme der LiveMusikKommission e.V. in das Kuratorium für Nationale Stadtentwicklungspolitik.

Wie beim Schutz der Bienen, sollte man – auch bei dem Schutz von Kulturräumen – nicht erst mit Maßnahmen beginnen, wenn alle Bienenvölker
ausgestorben sind.