Das aktuelle Quellensteuerverfahren nach §§ 50a, 50c, 50d EStG und der damit verbundene Bürokratieaufwand sowie die unverhältnismäßig langen Bearbeitungszeiten von inzwischen bis zu zwei Jahren haben für die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschat in Deutschland erhebliche negative wirtschaftliche Auswirkungen und stellen ihre Lizenzgeber im Ausland vor immense Herausforderungen.
Folgende Maßnahmen müssten dringend zur Entlastung der Kreativwirtschaft umgesetzt werden:
1. Es braucht erheblich vereinfachte und entbürokratisierte Verfahren zur Vermeidung von Doppelbesteuerung, damit deutsche Unternehmen auch im internationalen und vor allem im innereuropäischen Vergleich wettbewerbsfähig sind. Insbesondere die Anwendung von § 50d Abs. 3 auf alle Lizenzgeschäfte der Kreativwirtschaft ist unverhältnismäßig.
2. Erhöhung der Freigrenze für Vergütungen bis zu 500.000 Euro / pro Jahr für alle DBA- oder Richtlinienfälle unabhängig von der Vergütungskategorie (Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren), für die die Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung beim inländischen Vergütungsschuldner als Nachweis für die Abkommensberechtigung und die Anwendung eines reduzierten Quellensteuersatzes ausreicht. (Vgl. Abschlussbericht der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“, S. 162)
Die derzeitigen Verfahren und die daraus resultierenden Bearbeitungszeiten bedeuten sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung einen erheblichen und nicht gerechtfertigten Ressourcenaufwand. Dies mahnten die Verbände der Kreativwirtschaft bereits in der gemeinsamen Stellungnahme vom April 2024 an, worin auch Lösungsvorschläge unterbreitet wurden. Ebenso wurde medial über den untragbaren Zustand berichtet („An dieser Behörde verzweifeln Bürger und Konzerne“ 23.08.24 Welt; „Stau im Steueramt“ 23.03.24 FAZ).
Aktuell sehen sich Vergütungsschuldner und Vergütungsgläubiger u.a. mit folgenden
Unzulänglichkeiten konfrontiert:
– Es besteht das grundsätzliche Erfordernis einer Freistellungsbescheinigung für jeden Vertragspartner und jeden einzelnen Vertrag.
– Das Freistellungsverfahren ist im internationalen Vergleich unüblich und für ausländische Vergütungsgläubiger deshalb regelmäßig erklärungsbedürftig.
– Es sind umfangreiche Nachweise für jede Vertragsbeziehung einzureichen, insbesondere die Substanznachweise für die Missbrauchsprüfung nach § 50d Abs. 3 EstG verursachen bei den Lizenzgebern einen unverhältnismäßig hohen Aufwand (verlangt werden z. B. Mietverträge und Details zu Geschäftsführungs- und Mitarbeitergehältern, Bilanzen etc.). Die Erteilung dieser Auskünfte wird von den Vergütungsgläubigern regelmäßig abgelehnt und die Erstattung der Steuerschuld auf die vergütungsschuldenden Unternehmen abgewälzt.
– Auf Seiten der Vergütungsschuldner / Lizenznehmer gehen mit diesen Anforderungen nicht nur ein hoher Koordinations- und Unterstützungsaufwand, sondern auch erhebliche Wettbewerbsnachteile einher. Bricht der ausländische Vergütungsgläubiger das Verfahren während des Antragsprozesses ab, weil er durch die vertragliche Überwälzung der Steuerschuld auf den Inländer kein Interesse an der Forƞührung des Verfahrens hat, erhöht sich beispielsweise bei Lizenzen die zu zahlende Lizenzgebühr für deutsche Unternehmen de facto um 18,8 Prozent (Quellensteuer aufgrund der Nettovereinbarung zzgl. Solidaritätszuschlag).
– Die Bearbeitungszeit ist von der Antragsstellung bis zur Erteilung einer Freistellung bzw. bis zur Erstattung auf mittlerweile bis zu 24 Monate angewachsen. Das EStG § 50c Abs. 2 S. 6 sieht hingegen eine Entscheidung „innerhalb von drei Monaten nach Vorlage aller erforderlichen Nachweise“ vor. Dabei sind Erstattungs- und Freistellungsdaten technisch nicht miteinander verknüpft.
Die bisher vorgenommenen gesetzlichen Änderungen – Erhöhung der Freigrenze auf 10.000 Euro (Wachstumschancengesetz) und die Verlängerung der Geltungsdauer auf 5 Jahre (Bürokratieentlastungsgesetz) – sind zwar zu begrüßen, reichen aber keineswegs aus, um ein nachhaltig schlankes und effizientes Freistellungsverfahren zu gewährleisten.
Wir sehen deshalb weiteren dringenden Handlungsbedarf ggf. mit dem Steuerfortentwicklungsgesetz die notwendigen Verfahrensänderungen, wie sie u.a. von der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ des BMF im Juli dieses Jahres zu diesem Sachverhalt vorgeschlagen wurden, zu ermöglichen.
Unterzeichner:
BAK, Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., BDKV, BVMI, DMV, Game – Verband der Deutschen Gamesbranche e.V., GVL, IMUC, LiveKomm, SOMM, SPIO, VAUNET, VDBM, VUT