ERSTE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ZUR ABWEHR DER CLUB-INSOLVENZ

(Version 1.0. / Stand: 13.03.2020; 15.30h)

 Am Freitag, den 13.03.2020 hat die LiveKomm den „Krisenstab Corona“ eingerichtet. Bei der konstituierenden Sitzung sind folgende Handlungsempfehlungen entstanden:

  1. Kurzarbeitergeld beantragen

Wenn Euer Club über Festanstellungen verfügt, arbeitet Euch in das Thema ein!

Unter Kurzarbeit versteht man die vorübergehende Verkürzung oder Einstellung (“Kurzarbeit Null”) der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit, die sich auf den gesamten Betrieb oder bestimmte organisatorisch abgrenzbare Teile eines Betriebes erstreckt. Kurzarbeitergeld kann Arbeitsplätze sichern und hilft, die Personalkosten zu reduzieren.

Das Bundeskabinett hat auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ausbreitung des Corona Virus reagiert und am 10. März 2020 beschlossen, den Zugang zum Kurzarbeitergeld zu erleichtern. Das neue Gesetz soll noch in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten. Die neuen Regelungen werden zunächst bis Ende 2020 gelten.

Hier solltet Ihr anfangen: https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-uebersicht-kurzarbeitergeldformen

https://www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-corona-virus

Hinweis: Der Krisenstab arbeitet an diesem Thema, bündelt Informationen und versucht die neuen Regelungen zur Beantragung für Clubs zu eruieren. Mehr dazu bald

Im Vorstand gibt es dazu auch Expertise, sollten also Einzelfragen kommen, gerne eine Mail an info@livekomm.org

  1. Steuern und Sozialabgaben

Sofort Kontakt zu den zuständigen Stellen aufnehmen (am besten (auch) schriftlich oder via ELSTER)!

Finanzamt

a.) Steuervorauszahlung (u.a. für Einkommens-, Umsatz- und Körperschaftssteuer) für das Quartal 2/2020 herabstufen.

b.) Um Stundung fälliger Steuerzahlungen bitten.

c.) Den Erlass von Säumniszuschlägen anfragen.

d.) Den Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen erbitten.

Gemeinde

a.)  Gewerbesteuervorauszahlungen (Quartal, Stichtag meist 15.5.) herabstufen.

Renten- und Sozialversicherungsträger

a.) Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag können nach § 76 SGB IV gestundet werden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für das Unternehmen verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Die Stundung setzt einen entsprechenden Antrag voraus, wobei Ihr das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen belegen müsst.

Über den Antrag entscheiden “nach pflichtgemäßem Ermessen” die Krankenkassen eurer Arbeitnehmer als zuständige Einzugsstellen. Bitte wendet Euch direkt an Eure jeweils zuständigen Krankenkassen.

Künstlersozialkasse

Fragt die KSK, ob ihr die monatlichen Vorauszahlungen stunden könnt.

Hinweis: Der Krisenstab versucht etwaige Abwicklungsformalitäten (z.B. Vordrucke) zu klären.

  1. Versicherung

Wir möchten euch nahelegen, unbedingt Euren Versicherungsschutz überprüfen zu lassen!!!  Für die LiveKomm Clubversicherung, hat der Versicherungsmakler Spiegel & Pohlers angeboten, hier zu unterstützen.

Hier ein paar weitere  Anmerkungen von Spiegel & Pohlers zum Thema Betriebsschließung:

Wofür bietet die Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz? 

Nach dem Infektionsschutzgesetz sind den Gesundheitsbehörden weitreichende Befugnisse zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen eingeräumt. Die Betriebsschließungsversicherung bietet Schutz vor Vermögens- und Sachschäden, die einem Unternehmen durch die behördlicherseits zu ergreifenden Maßnahmen entstehen, und zwar durch

  • Schließung des Betriebes
  • Desinfektion (Entseuchung) des Betriebes
  • Tätigkeitsverbote gegen Inhaber oder Mitarbeiter
  • Ermittlungs- und Beobachtungsmaßnahmen
  • Entseuchung, Brauchbarmachung zur anderweitigen Verwertung oder Vernichtung

von Waren.

 Wann wird Entschädigung geleistet?

Eine Grundvoraussetzung für eine Entschädigung ist, dass die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den Betrieb schließt und/oder die Vernichtung von Waren und Vorräten anordnet.

Allein diese Grundvoraussetzung ist in vielen Fällen jedoch nicht ausreichend für eine Entschädigung. Konkret ist eine Deckung von den Vereinbarungen im konkreten Versicherungsvertrag und dem konkreten behördlichen Vorgehen im Schadenfall abhängig. Somit können pauschale Deckungsaussagen nicht belastbar getätigt werden.

In einigen Fällen ist Versicherungsschutz eindeutig gegeben, in anderen Fällen müssen die individuellen Rahmenbedingungen geprüft werden, um eine verlässliche Aussage über den Versicherungsschutz treffen zu können. 

Besteht über die klassische Betriebsunterbrechungsversicherung Versicherungsschutz, wenn es aufgrund SARS-CoV-2 (Coronavirus) zu einer Betriebsunterbrechung beim Kunden kommt? Fällt SARS-CoV-2 unter die „Unbenannten Gefahren“?

Üblicherweise besteht kein Versicherungsschutz über die klassische Betriebsunterbrechungsversicherung direkt aufgrund von SARS-CoV-2. Grund dafür ist, dass diese als auslösendes Ereignis einen Sachschaden an einer dem Betrieb dienenden Sache hat. Erkrankte Mitarbeiter sind keine dem „Betrieb dienenden Sachen“ im Sinne der Bedingungen. Gleichermaßen besteht auch kein Versicherungsschutz, wenn es aufgrund SARS-CoV-2 zu Lieferengpässen oder Ausfall von Lieferketten beim Kunden kommt. Auch über eine ggf. gegebene Deckung von „unbenannten Gefahren“ besteht kein  Versicherungsschutz, da Seuchen hier explizit ausgeschlossen sind.

Besteht Versicherungsschutz in der Profi-Schutz-Haftpflichtversicherung, wenn es zu Ansprüchen aufgrund von SARS-CoV-2 (Coronavirus) kommt?

Im sehr unwahrscheinlichen Fall, dass unser Versicherungsnehmer (das Unternehmen) aus der Übertragung einer Krankheit Haftpflichtansprüche zu vertreten hat, ist der Personenschaden gedeckt, wenn er nachweisen kann, dass die Übertragung nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wurde.

Besteht über die klassische Betriebsunterbrechungsversicherung Versicherungsschutz, wenn es aufgrund von SARS-CoV-2 (Coronavirus) zu einer Betriebsunterbrechung beim Kunden kommt?

Grundsätzlich besteht kein Versicherungsschutz und es gilt die oben für das Firmenkundengeschäft genannte Begründung: Als auslösendes Ereignis ist ein Sachschaden an einer dem Betrieb dienenden Sache erforderlich.

Bei Fragen zur LiveKomm Clubversicherung: info@spiegelundpohlers.de

Für zukünftigen Betrieb in unsicheren Zeiten: Kalkuliert Veranstaltungsausfallversicherungen durch, auch wenn gegen Covid19-bezogene Fälle nicht mehr versichert werden kann. Rücknahme von Genehmigungen, Kündigung von Mietverträgen oder Ausfall wichtiger technischer Subunternehmer*innen und Künstler*innen sind immer noch versicherbar.

  1. Stakeholder zur Clubrettung einbinden

a.) Vermieter kontakten: nach temporären Mietverzicht fragen (z. B. mindestens 50% oder mehr für die nächsten 8 Wochen). Argument: Besser so, als monatelanger Leerstand in einer Rezessionsphase. Achtet darauf, dass ihr nicht in Kündigungsgefahr geratet (in der Regel nach dem Ausfall von zwei Monatsmieten oder erheblichen Anteilen daran).

Hinweis: Das Clubkombinat Hamburg entwickelt ein Musteranschreiben.

b.) Mit der Hausbank sprechen, informieren und Kredittilgungen stunden oder neue Kreditlinien vereinbaren. Es gibt auch KdW-Darlehen für die Überbrückung, auch für Bürgschaften via der Bürgschaftsbanken der Länder: https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Newsroom/Aktuelles/KfW-Corona-Hilfe-Unternehmen.html

Es lohnt sich außerdem die Seiten der Landesförderbanken anzuschauen, hier z.B. in Niedersachsen.

c.) Brauereien und andere Partner der Getränkeindustrie wie Lieferanten kontakten, die an der Club-Finanzierung beteiligt sind: Direkthilfen erfragen (z.B. Stundung von Forderungen, Forderungsverzicht (z.B. 33%).

Hinweis: In Hamburg signalisiert die Carlsberg Gesprächsbereitschaft.

d.) GEMA: Kündigung von Pauschaltarifen (z.B. Disko-Tarif M-CD, Kneipentarif oder Hintergrundtarif) für die Zeit des Shut-Downs. Zahlungen aussetzen, um Aufschub von Forderungen bitten; wenn vorhanden: Lastschriftverfahren kündigen. Bei Ablehnung auf Härtefall plädieren und auf die im Vertrag enthaltene Angemessenheitsprüfung pochen.

Hinweis: Die LiveKomm beginnt Gespräche mit der GEMA für Corona-Clubhilfen und wird über den Ausgang berichten.

e.) Weitere Fixkostenblöcke analysieren und mit den Vertragspartnern ins Gespräch gehen.

Hinweis: Thema Strom: In Hamburg können wir uns vorstellen, mit Greenpeace Energy über Stundungsprogramm zu sprechen, vielleicht sind auch andere lokale Energieversorger gesprächsbereit.

  1. Dokumentiert Eure finanziellen Schäden

Für etwaige Nothilfeprogramme und darüber hinaus:

a.) Dokumentiert die Veranstaltungsausfälle: Speichert und druckt Konzertabsagen, kopiert etwaige Schadensrechnungen und ordnet diese den Konzerten zu (Notiz auf Rechnung: Konzertausfall am xx.xx.2020). Sammelt Eure verkündeten Monatsprogramme und markiert, welche Veranstaltungen wegen Corona ausgefallen sind. 

b.) Führt Tabellen und quantifiziert die Schadenshöhen nach Verursachungs- und Veranstaltungsdatum.

c.) Achtet auch darauf, nicht in die Gefahr der Insolvenzverschleppung zu geraten.

d.) Und wenn es doch ganz schlimm kommt: Solltet ihr Insolvenz anmelden müssen, informiert bitte die LiveKomm (für die Rote Liste): roteliste@livekomm.org

Hinweis: Diese Informationen sind für jegliche Lobbyarbeit höchst relevant und wir wollen sie regelmäßig (anonym) abfragen. Die nächste Blitzumfrage steht voraussichtlich vom 10. bis 12.04.20 an.

  1. Lokale Club-Rettungsaktionen

Insbesondere lokale Club-Netzwerke sind gefragt, Gemeinschaftsaktionen aufzusetzen, die die Bevölkerung animiert, sich für die Clubszene finanziell zu engagieren. Nur so können wir über Soforthilfen ohne staatliche Bürokratie verfügen.

Für Clubs: wenn zeitliche Kapazitäten vorhanden, unterstützt Eure Netzwerke bei der Arbeit und teilt die Aufrufe über Eure Kanäle! Bindet die Künstler*innen ein! Seid kreativ!

Und sprecht gemeinsam eure Kommunen und Länder an.

Hinweis: In Hamburg starten wir unter dem Hashtag #coronaclubrettungHH einen Spendenaufruf an die Clubstiftung. Berlin plant ein Crowdfunding.

  1. Engagiert Euch in Krisenstäben

    (Lokal oder in der LiveKomm)

Wenn ihr (oder Euer Personal) demnächst wegen eines Shut-Downs freie Zeit verfügbar habt, meldet Euch bei Euren Netzwerken für freiwilliges Engagement. Hier ist in nächster Zeit viel Arbeit zu leisten, die delegiert werden kann und muss.

Hinweis: Mehr zur Arbeit des LiveKomm-Krisenstabs kommt bald.

  1. Einhaltung von Hygieneregeln: Schützt Eure Organisation / Euer Office

a.) Hinweisschilder an der Tür: Plakat anbringen „WE ARE OPEN, BUT“ (wenn das bei euch noch erlaubt ist).

b.) Desinfektionsmittel bereitstellen (wenn ihr eine geheime Quelle habt).

c.) Regelmäßig Türgriffe und -rahmen abwischen etc.

d.) Etwas Abstand zueinander halten, ggf. Homeoffice ermöglichen und Notfallbesetzungsplan besprechen!

e.) Wenn Ihr Mitarbeiter*innen wegen des Verdachts auf Infektion freistellen müsst, besteht die Möglichkeit einer Entschädigung bei Tätigkeitsverbot über das Gesundheitsamt.

f.) Kommuniziert die üblichen Hygieneregeln an Mitarbeiter*innen und – wenn es sie noch gibt – Besucher*innen.

Bleibt gesund! Wascht euch die Hände! Hört Musik!

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Der Krisenstab wird diese Handlungsempfehlungen weiterentwickeln und freut sich über Anregungen.

Vielen Dank an Clubkombinat Hamburg und Clubcommission Berlin, die viele Vorarbeiten und Formulierungen beigetragen haben!