Die Clubkultur leidet: Kostendruck bedroht kulturelle Vielfalt in Deutschland

Bundesweite Erhebung von Branchenzahlen liefert alarmierende Ergebnisse

Der Bundesverband der Musikspielstätten LiveKomm hat gemeinsam mit einigen größeren  Landesverbänden (u. a. Berlin, Hamburg, Köln) in einer Erhebung ein aktuelles Lagebild der Clublandschaft gezeichnet. Die Ergebnisse sind alarmierend: Mehr als die Hälfte der Musikspielstätten hat angegeben, aufgrund des akuten Kostendrucks in den kommenden zwölf Monaten den Betrieb nicht ohne staatliche Unterstützung weiterführen zu können. Damit gerät die Clubkultur als ein Grundpfeiler der Musikbranche insgesamt ins Wanken, denn musikalische Experimente und Auftritte von Nachwuchskünstler:innen sind unter diesen Voraussetzungen nicht mehr finanziell darstellbar.

In ihrem Grußwort zur Nachtkultur-Konferenz „Stadt Nach Acht“ am 24.10. betonte Claudia Roth den kulturellen Wert der Clubkultur für Demokratie und Diversität in Deutschland. Rund eine Woche später zeichnen aktuelle Branchenzahlen der LiveKomm jedoch ein  bedrückendes Bild vom aktuellen Zustand der deutschen Clublandschaft. Für viele Musikspielstätten hängt der Fortbestand als Konzertbühnen für Nachwuchsmusiker:innen am seidenen Faden.

So benötigen 55% der teilnehmenden Clubs in den kommenden zwölf Monaten (mehr) Fördergelder, um den Veranstaltungsbetrieb aufrechtzuerhalten. Die Clubs verzeichnen im Vergleich zum Vorjahr Umsatzeinbußen und einen Rückgang von Besuchenden um jeweils knapp 10% . Als größte Herausforderung werden allgemeine Kostensteigerungen genannt. Danach folgen eine sinkende Nachfrage beim Publikum und finanzielle Schwierigkeiten.

Auch die Aussichten auf das kommende Jahr sind trübe: 43% der teilnehmenden Clubs gehen davon aus, dass sich ihre wirtschaftliche Situation 2025 verschlechtert; 16% denken sogar darüber nach, ihren Betrieb in den nächsten zwölf Monaten einzustellen. Und 62% müssen aufgrund der wirtschaftlichen Situation ihre Programmplanungen anpassen und können weniger Nachwuchs-Künstler:innen eine Live-Bühne bieten als bislang. (Vgl. unten stehende Diagramme.)

Ohne Nachwuchsarbeit keine Stars von morgen: Die Musikbranche braucht ihre Musikspielstätten

Konzerte von Newcomern sind häufig schlechter besucht und nur in einer Mischkalkulation mit finanziell erfolgreicheren Events denkbar. Das funktionierte lange Zeit auf Basis der kleineren Clubs, ist nun aber kaum noch umsetzbar.

Gerade die besonders bedrohten kleinen bis mittleren Clubs sind essentiell, um Nachwuchs-Künstler:innen eine Bühne zu bieten: Dort sammeln sie erste Live-Erfahrungen, können künstlerisch reifen und ihre Fanbasis aufbauen. Ohne diese Option bricht der „Circle of Live“ der Branche, in dessen Rahmen Newcomer zu Stars werden und so später Gewinne generieren.

Kosten erdrücken die Clubs: Eine Vielzahl „stiller Krisen“ bedroht die Livekultur

Hintergrund der negativen finanziellen Entwicklungen der Clubkultur sind die in der Branche besonders dramatischen Kostenexplosionen in allen wesentlichen Bereichen, so etwa Energie- und Produktionskosten.

Wähnte die Öffentlichkeit die Clublandschaft nach der überstandenen Corona-Notlage in Sicherheit, vollziehen sich im Stillen derzeit neue Krisen, ausgelöst durch Inflation und geändertes Freizeitverhalten. Durch noch höhere Eintritts- und Getränkepreise können die Musikspielstätten diese Entwicklung nicht kompensieren – der ohnehin große Besucherschwund würde so auch noch massiver ausfallen.

Zeit für ein Umdenken: Bund und Länder sind aufgefordert, zu handeln

Ohne Förderung geht es nicht – zwar ist Musikspielstätten daran gelegen, eigenständig zu wirtschaften, aber angesichts einer Umsatzrentabilität von durchschnittlich 3% ist die Lage der Clubs zunehmend bedrohlich. Die Politik muss handeln, alle Instrumente dafür sind vorhanden.

Zum einen müssen die Förderprogramme der Initiative Musik wie etwa Live 500 und der Festivalförderfonds finanziell besser ausgestattet werden, denn gerade im Vergleich zur stark subventionierten Hochkultur sind popkulturelle Förderprogramme heillos unterfinanziert.

Auch bestehen große Investitionsbedarfe. Diese sehen die Teilnehmer:innen der Erhebung v.a. mit Blick auf behördliche Auflagen, soziale Nachhaltigkeit und technische Ausstattung. Hier könnten entsprechend ausgestattete Förderungen wie das neu geschaffene Pilotprogramm Bundesschallschutz die größten Nöte lindern.

Mankel Brinkmann, 1. Vorsitzender der LiveMusikKommission: „Wenn jetzt nicht gehandelt wird, drohen auch hierzulande Entwicklungen wie z.B. in Großbritannien, wo seit 2020 fast 400 Clubs schließen mussten. Im Vergleich zu anderen Haushaltsposten wären die benötigten Mittel gering, sie könnten jedoch entscheidend dazu beitragen, den Fortbestand und damit die Vielfalt und Lebendigkeit unserer Livekultur zu bewahren. Gerade angesichts der akuten Gefahren für die Demokratie brauchen wir heute und auch in Zukunft eine lebendige Clubszene, die Diversität und Austausch fördert.“

Zur Erhebung:

Am Club Monitoring der Livekomm und deren Mitgliedsverbände aus Berlin, Hamburg, Köln sowie Nordrhein-Westfalen nahmen insgesamt 121 Musikspielstätten teil. Rund 65 % der Teilnehmenden betreiben kleine und mittelgroße Musikclubs mit einer Gesamtkapazität von bis zu 450 Personen. Die Umfrage bietet damit ein gutes Abbild der bundesweiten Clublandschaft. Bezogen auf die Mitgliedsbetriebe der LiveKomm von aktuell 756 liegt eine Rücklaufquote von rund 16% vor. Damit sind valide Schlüsse auf die bundesweite Situation möglich.