LiveKomm warnt eindringlich vor kultureller Abrissbirne

Stellungnahme des Bundesverbands der Musikspielstätten zum Referentenentwurf des „Bau-Turbo“

Die LiveMusikKommission e.V. (kurz LiveKomm) – der Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland – erkennt im aktuellen Referentenentwurf des „Bau-Turbo“-Gesetzes erhebliche Risiken für die deutsche Club- und Livemusiklandschaft. Während die LiveKomm die Notwendigkeit von mehr bezahlbarem Wohnraum ebenfalls anerkennt, warnt der Verband vor den unbeabsichtigten Folgen der geplanten Flexibilisierungen: der systematischen Verdrängung kultureller Orte durch die heranrückende Wohnbebauung.

„Vor vier Jahren einigten sich die demokratischen Parteien im Bundestag fraktionsübergreifend darauf, Clubs als Kulturorte anzuerkennen. Der damit verbundene gesetzgeberische Auftrag wurde von den verantwortlichen Ministerien nur schleppend an- und aufgenommen. Wir fordern die Bundesregierung auf, in den laufenden Gesetzgebungsprozess verbindliche Schutzregelungen für kulturelle Orte einzubeziehen. Lebenswerte Städte bestehen nicht nur aus Wohnraum – wir brauchen Lösungen, um die lebendige Club- und Festivalszene im Bau-Turbo nicht zu verlieren“, so Iris Hinze, Sprecherin der AG Kulturraumschutz der LiveKomm.

Der aktuelle Entwurf zum „Bau-Turbo“ verschärft die problematische Situation: Die geplanten Änderungen in § 246e sowie die Ausnahmen nach §§ 31 und 34 BauGB schaffen zwar neue städtebauliche Spielräume für schnelleren Wohnungsbau, enthalten jedoch keine verbindlichen Schutzmaßnahmen für bestehende kulturelle Infrastrukturen.

Ein wirksamer Schutz der kulturellen Infrastrukturen ist unbedingt erforderlich. Die positiven Effekte des Entwurfs für das kulturelle Leben hängen maßgeblich davon ab, wie Kommunen die neuen Spielräume nutzen – und ob sie bei der Wohnraumentwicklung Rücksicht auf existierende Kulturorte nehmen.

Kernforderungen der LiveKomm:

1. Integration des Agent-of-Change-Prinzips in das Baugesetzbuch

2. Verstetigung eines Bundesschallschutzprogramms mit 40 Millionen Euro jährlich

3. Novellierung der Baunutzungsverordnung zur Anerkennung von Clubs als kulturelle Orte

4. Verlegung der Schallmesspunkte bei Wohngebäuden mit Schallschutzmaßnahmen nach innen und keine Zuordnung von Schallimmissionen durch An- und Abreise der Gäste zu Veranstaltungsbetrieben

5. Einbindung der LiveKomm im Rahmen einer Verbändeanhörung

Zur Erläuterung im Einzelnen:

Die vorgesehene Flexibilisierung im Umgang mit der TA Lärm, etwa durch ihre Ausweisung als Orientierungshilfe, begrüßt die LiveKomm grundsätzlich. Zugleich ersetzt dies keine klare rechtliche Absicherung kultureller Nutzung. Ohne verbindliche Vorkehrungen droht eine einseitige Gewichtung zugunsten des Schallschutzes bei Wohnnutzung – zu Lasten kultureller Vielfalt und urbaner Attraktivität.

Schallimmissionen durch An- und Abreise der Gäste sollen nicht mehr den Veranstaltungsbetrieben zugeordnet werden, da diese eine wichtige soziale, kulturelle und wirtschaftliche Funktion erfüllen und durch die aktuelle Regelung in den sich immer weiter verdichteten Innenstädten unter Existenzdruck geraten. Zudem ist die Verlegung des Messpunktes bei Wohngebäuden mit verpflichtenden Schallschutzmaßnahmen (z.B. Schallschutzfenster wie das HafenCity Fenster) nach innen erstrebenswert.

Die LiveKomm fordert die sofortige Integration des bewährten „Agent-of-Change“-Prinzips in das deutsche Baugesetzbuch. Dieses international erprobte Instrument – bereits angewendet in hochverdichteten Städten wie London, Melbourne und Amsterdam – stellt sicher, dass neue Nutzungen sich an den kulturellen Bestand anpassen müssen, nicht umgekehrt.

Konkret bedeutet das Agent-of-Change-Prinzip:

  • Wer in die Nähe einer bestehenden Musikspielstätte zieht oder baut, ist für die angemessenen, baulichen Schutzmaßnahmen verantwortlich
  • Schallschutzfenster, angepasste Grundrisse (z.B. Ausrichtung der Schlafzimmer) und technische Lärmminderung werden zur Pflicht für Neubauten
  • Bestehende kulturelle Orte genießen verbindlichen Bestandsschutz

Musikspielstätten sind zentrale kulturelle und soziale Treffpunkte. Ihre langfristige Existenz in den Städten muss gesichert werden. Dürftig und rücksichtslos geplante, heranrückende Wohnbebauung ist eine der größten städtebaulichen Problemfelder für bestehende Musikspielstätten, da sie häufig in Arealen angesiedelt sind, in denen ruhebedürftige Wohneinheiten bislang weit entfernt liegen.

Die Novelle des BauGB sollte genutzt werden, um stadtverträgliches Wachstum und kulturelle Vielfalt gemeinsam als Basis erfolgreicher, vielfältig gemischter Städte umzusetzen, wie die Neue Leipziger Charta hervorhebt. Eine klare gesetzliche Verankerung des Bestandsschutzes für kulturelle Infrastrukturen wäre ein bedeutender Schritt in diese Richtung.

Ein wichtiger Baustein ist bereits vorbereitet: Das geplante Pilotprojekt für ein Bundesschallschutzprogramm mit 3 Millionen Euro in zwei Jahren steht in den Startlöchern und kann – wie das sehr erfolgreiche Berliner Vorbild des „Schallschutzfonds“ –  aufzeigen, dass wirksamer Schallschutz in verdichteten Städten möglich ist. Die LiveKomm fordert einen möglichst umgehenden Start des Programms und eine dauerhafte Verstetigung mit mindestens 40 Millionen Euro jährlich im Haushalt, um dem bundesweiten Bedarf gerecht zu werden.

Erste erfolgreiche Modelle in Berlin und Köln zeigen: Gezielte Schallschutzförderung und die planungsrechtliche Berücksichtigung bestehender Kulturorte löst Nachbarschaftskonflikte konstruktiv, nachhaltig und erhält die kulturelle Vielfalt in unseren städtischen Gesellschaften anstatt sie zu Fall und zum Verschwinden zu bringen.

Zudem ist mit dem „Bau-Turbo“ die überfällige Novellierung der Baunutzungsverordnung endlich umzusetzen, um Musikclubs mit nachweisbar kulturellem Bezug als kulturelle Anlagen einzustufen. Seit zwei Bundesregierungen ist dieses Vorhaben nicht realisiert.

Die LiveKomm macht deutlich: Eine moderne, zeitgemäße Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert muss Wohnen und Kulturleben funktionsfähig zusammendenken. Nur so können Städte langfristig lebendig, vielfältig, attraktiv und sozial ausgewogen bleiben.

Pressemitteilung – Rechtsextremismus als Herausforderung für die Live-Branche: LiveKomm und der Bundesverband Mobile Beratung kooperieren

Um zunehmenden rechtsextremistischen Vorfällen zu begegnen, werden gemeinsam Beratungsangebote für Clubs und Festivals entwickelt

Clubs und Festivals verstehen sich als bunte Orte des gesellschaftlichen Miteinanders und der individuellen Freiheit. Gerade deshalb sind sie nicht selten Ziel rechtsextremistischer Angriffe. Wie können Betreiber*innen, Veranstalter*innen ebenso wie das Personal mit Bedrohungslagen und konkreten Übergriffen umgehen? Wie können sie rechte Codes erkennen, Künstler*innen im Grauzonenbereich korrekt einschätzen und notwendige Sicherheits- und Präventionskonzepte entwickeln?

Die LiveKomm, der Bundesverband der Musikspielstätten, setzt sich mit diesen und weiteren Fragen der ihr angeschlossenen Clubs und Festivals zum Thema Rechtsextremismus auseinander. Um künftig auf Expertise bauen zu können, kooperiert der Verband ab sofort mit dem Bundesverband Mobile Beratung (BMB). Der BMB vernetzt rund 50 Mobile Beratungsteams bundesweit, die beim Umgang mit Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und Verschwörungserzählungen unterstützen.

Im Zuge der Kooperation werden Workshops zu Bedarfsthemen für die Mitglieder der LiveKomm angeboten. Im Rahmen von Veranstaltungen der Musikbranche sind auch öffentliche Einführungs-Workshops zum Thema Rechtsextremismus angedacht. Des Weiteren soll eine gemeinsame Broschüre erarbeiten werden, die Grundlagenwissen zum Thema Rechtsextremismus mit Blick auf die Livebranche vermittelt.

Stimmen zur Kooperation:

Christian Ordon, Geschäftsführer der LiveKomm: „Rechtsradikalismus, sowohl strukturell wie auch individuell, stellt zunehmend ein Problem für unsere Mitglieder dar – das gilt längst nicht nur in Ostdeutschland. Die friedliebende Live-Szene ist ein zu naheliegendes Ziel für Attacken jeder Art. Wir wollen unsere Clubs und Festivals resilienter machen und ihnen Unterstützung bieten.“

Grit Hanneforth, Geschäftsführerin des BMB: „Seit über 20 Jahren unterstützt Mobile Beratung Menschen, die Haltung zeigen wollen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Die Teams sind bis ins kleinste Dorf vernetzt, kennen rechtsextreme Akteure vor Ort und entwickeln gemeinsam mit den Beratungsnehmenden Strategien der Gegenwehr. Dieses Wissen möchten wir an die LiveKomm weitergeben – damit sich Festivals, Clubs und Konzerte handlungssicher fühlen, damit Feiern ohne rechtsextreme Störungen gelingt.“

Die Clubkultur leidet: Kostendruck bedroht kulturelle Vielfalt in Deutschland

Bundesweite Erhebung von Branchenzahlen liefert alarmierende Ergebnisse

Der Bundesverband der Musikspielstätten LiveKomm hat gemeinsam mit einigen größeren  Landesverbänden (u. a. Berlin, Hamburg, Köln) in einer Erhebung ein aktuelles Lagebild der Clublandschaft gezeichnet. Die Ergebnisse sind alarmierend: Mehr als die Hälfte der Musikspielstätten hat angegeben, aufgrund des akuten Kostendrucks in den kommenden zwölf Monaten den Betrieb nicht ohne staatliche Unterstützung weiterführen zu können. Damit gerät die Clubkultur als ein Grundpfeiler der Musikbranche insgesamt ins Wanken, denn musikalische Experimente und Auftritte von Nachwuchskünstler:innen sind unter diesen Voraussetzungen nicht mehr finanziell darstellbar.

In ihrem Grußwort zur Nachtkultur-Konferenz „Stadt Nach Acht“ am 24.10. betonte Claudia Roth den kulturellen Wert der Clubkultur für Demokratie und Diversität in Deutschland. Rund eine Woche später zeichnen aktuelle Branchenzahlen der LiveKomm jedoch ein  bedrückendes Bild vom aktuellen Zustand der deutschen Clublandschaft. Für viele Musikspielstätten hängt der Fortbestand als Konzertbühnen für Nachwuchsmusiker:innen am seidenen Faden.

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Pressemitteilung: „70% des Lebens auf der Erde ist nachtaktiv“ – Nachtleben-Konferenz STADT NACH ACHT zeigt in Augsburg den Wert der Nachtkultur auf

Mit der STADT NACH ACHT gastierte am 24. und 25. Oktober die größte europäische Nachtleben-Konferenz erstmals in Augsburg. Das Event fand in Kooperation mit der Initiative Musik statt und wurde zudem gefördert durch die Stadt Augsburg. Veranstalterin war die LiveMusikKommission, der Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland.

Bereits die Grußworte setzten den Ton der Konferenz. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth sprach über den kulturellen Wert und die verbindende Kraft der Clubkultur angesichts der aktuellen Erosion der Demokratie in verschiedenen Bereichen – dabei sei die Lage der Musikclubs u.a. aufgrund von Kostensteigerungen ernst. Es sei jedoch eben nicht an der Zeit für „Totenschein und Nachruf“. Diese Perspektive bekräftigte auch Katja Lucker, Geschäftsführerin der Initiative Musik: „Nachtkultur stärkt das soziale Miteinander und bringt Kreativität in urbane wie ländliche Räume – sie braucht unsere Unterstützung, um weiter bestehen zu können.“ Der einflussreiche Städteforscher Charles Landry indes sprach in seinem Impuls über das Potential innovativen Denkens und der 24-Stunden-Stadt. Schließlich sei „70% des Lebens auf der Erde nachtaktiv“.

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