Clubs als Kulturorte: Auch vier Jahre nach der parlamentarischen Weichenstellung fehlen entsprechende Reformen

Musikclubs warten noch immer auf die entscheidende Umsetzung des Entschließungsantrags des Dt. Bundestags vom 7. Mai 2021: Es bedarf dringend der Novellierung von TA Lärm und BauNVO sowie des Ausbaus und der Verstetigung von Förderprogrammen.

Am 7. Mai 2025 jährt sich das Datum, an dem der Deutsche Bundestag per Entschließungsantrag Clubs als Kulturorte einstufte, bereits zum vierten Mal. In diesen zurückliegenden Jahren vollzog sich ein langsamer Verwaltungsprozess, der unter anderem in der Reformierung der Schallschutzbestimmungen sowie der Baunutzungsverordnung hätte münden sollen. Die neue Regierung sollte diese Fäden schnellstmöglich wieder aufgreifen, um ihrem im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Anspruch gerecht zu werden, Clubs als kulturelle Institutionen gesetzlich zu berücksichtigen. Bestenfalls geschieht dies in jeweils separaten Verfahren.

Vor vier Jahren einigten sich die demokratischen Parteien im Bundestag fraktionsübergreifend darauf, Clubs als Kulturorte anzuerkennen. Der damit verbundene gesetzgeberische Auftrag wurde von den verantwortlichen Ministerien allerdings nur schleppend an- und aufgenommen. Im Zuge der politischen Arbeit der LiveKomm, des Bundesverbands der Musikspielstätten, und begleitet von der Öffentlichkeitskampagne „clubsAREculture“, wurden erst im Sommer 2024 mit entsprechenden Referentenentwürfen Reformbestrebungen sichtbar. Zuletzt lagen sowohl für die TA Lärm, die den Schallschutz regelt, sowie für die Baunutzungsverordnung Ansätze zur Novellierung vor – im Falle der BauNVO gelangte ein Gesetzesentwurf noch im September 2024 zu einer ersten Lesung in den Bundestag.

Mit dem Ende der Ampelregierung ist es nun an der neuen Koalition, diese Fäden wieder aufzugreifen und die gesetzliche Basis für moderne Stadtentwicklung und ein Miteinander von Kultur und Wohnen zu schaffen. Einen solchen Reformanspruch formulieren CDU/CSU und SPD auch in ihrem Koalitionsvertrag. Dort findet sich u.a. folgende Passage: „Wir setzen uns für die Initiative Musik und andere bundesgeförderte Initiativen für die Förderung der Musikwirtschaft und der Popkultur ein. Es braucht „Kulturschutzgebiete“, in denen Bestandsschutz gilt und Clubs als Kulturorte durch die Baunutzungsverordnung anerkannt und in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) berücksichtigt werden“. An anderer Stelle heißt es: „Programme zur Modernisierung von Bahnhöfen, zur Schaffung von Barrierefreiheit und zum Lärmschutz werden fortgesetzt.“

Vor diesem Hintergrund fordert die LiveKomm:

1. Anerkennung des kulturellen Bezugs von Clubs und Livemusikspielstätten innerhalb der BauNVO

Die LiveKomm fordert eine zügige Anpassung der Baunutzungsverordnung, in der Musikclubs mit nachweisbar kulturellem Bezug als Anlagen kultureller Zwecke eingestuft werden. Wenn diese Forderung nicht umsetzbar ist, sollte der Weg einer gesonderten Gebäudekategorie Musikclub mindestens einen besseren Bestandsschutz und eine Erweiterung der Spielräume für die künftige Ansiedlung von Musikclubs beinhalten. Dem Bundesratsbeschluss (Drucksache 436/24) entsprechend sollte eine ausnahmsweise Zulässigkeit in allgemeinen Wohngebieten und eine grundsätzliche Zulässigkeit in Gewerbegebieten vorgesehen werden. Zudem sollte das Gesetzesvorhaben eine Definition von Musikclubs mit kulturellem Bezug beinhalten.

2. Umsteuern beim Bundesimmissionsschutzgesetz & Schallschutzprogramm verstetigen

Es gilt, künftig eine regulatorische Unterscheidung zwischen Industrie- und Gewerbelärm (TA Lärm) und Kulturschall einzuführen, um den Anforderungen kultureller Einrichtungen gerecht zu werden. Dabei gilt es u.a. sicherzustellen, dass die Einstufung von Verhaltenslärm des Publikums im öffentlichen Raum eine angemessene Berücksichtigung kultureller Aktivitäten ermöglicht. Eine Arbeitsgruppe aus UMK, BMK, WMK und KMK sollte eingerichtet werden, um neue Schallregularien zu formulieren und eine kulturelle Stadtentwicklung gezielt voranzutreiben. Es gilt, das Bundesschallschutzprogramm im BMWSB zu verstetigen und mit einer auskömmlichen Finanzierung von mindestens 20 Millionen Euro pro Jahr auszustatten, um Nutzungskonflikte zwischen kulturellen Orten und Nachbarschaften nachhaltig zu lösen.

Mit der Kulturschallverordnung (V3) hat die LiveKomm auf Basis juristischer Expertise durch die Berliner Kanzlei Härting einen Vorschlag für die Neuregelung des Schallschutzes auf Bundesebene eingebracht.

Bei der Umsetzung gesetzlicher Reformen steht die LiveKomm den zuständigen Ministerien, wie schon in der Vergangenheit, gerne als Partnerin zur Verfügung.

Iris Hinze, Sprecherin der AG Kulturraumschutz der LiveKomm: „Die neue Regierung will laut Koalitionsvertrag Clubs als Kulturorte schützen und würdigen. Wir fordern von der neuen Koalition daher, auf Beschlüsse auch zügig Taten folgen zu lassen: BauNVO und TA Lärm müssen vorrangig und separat, notfalls außerhalb gebündelter Gesetzespakete, angepackt werden. Reformen sind schon länger als vier Jahre überfällig – die Schallschutz-Bestimmungen z.B. wurden für den clubrelevanten Bereich seit 1968 nicht angepasst.“

Stellungnahme der LiveMusikKommission zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD

Bundesverband der Musikspielstätten begrüßt die Berücksichtigung der Club- und Festivalkultur, mahnt jedoch zur Eile

Die LiveKomm begrüßt, dass die Bedarfe und der Wert von Club- und Festivalkultur Eingang in den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD gefunden haben: „Wir setzen uns für die Initiative Musik und andere bundesgeförderte Initiativen für die Förderung der Musikwirtschaft und der Popkultur ein. Es braucht „Kulturschutzgebiete“, in denen Bestandsschutz gilt und Clubs als Kulturorte durch die Baunutzungsverordnung anerkannt und in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) berücksichtigt werden“. An anderer Stelle heißt es: „Programme zur Modernisierung von Bahnhöfen, zur Schaffung von Barrierefreiheit und zum Lärmschutz werden fortgesetzt.“

Es wird höchste Zeit, konkrete Maßnahmen nun möglichst umgehend in die Tat umzusetzen. Bereits seit 2021, durch den fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag des damaligen Bundestags, sind Musikspielstätten auf höchster Ebene als Kulturinstitutionen anerkannt, ohne dass daraus jedoch bislang rechtliche Konsequenzen auf der Verwaltungsebene gezogen wurden. Bestehende Förderprogramme für die Club- und Festivalkultur über die Initiative Musik gilt es zu verstetigen und deutlich auszubauen. Ein Pilotverfahren für ein Bundesschallschutzprogramm steht in den Startlöchern.

Aktuell sehen sich laut bundesweiter Club- & Festival-Umfrage 28% der Musikspielstätten existenziell bedroht. Dabei spielen u.a. deregulierte Gewerbemieten und ständig steigende Betriebskosten eine entscheidende Rolle, die zu Lasten des Publikums und der Nachwuchsförderung ausfällt. Eine hinreichende finanzielle Ausstattung bestehender Förderprogramme z.B. der Initiative Musik ist daher dringend vonnöten.

Pamela Schobeß, politische Sprecherin der LiveKomm: “Wir freuen uns, dass der Koalitionsvertrag die Wichtigkeit von Clubkultur anerkennt und den Ernst der Lage sieht – viel Zeit zur Umsetzung bleibt jedoch nicht mehr. Insbesondere die gestiegenen Kosten bedrohen uns kleine Bühnen – und damit den musikalischen Nachwuchs und die kulturelle Diversität.”

Stellungnahme der LiveMusikKommission zur politischen Lage und Kultur anlässlich der gemeinsamen Abstimmung zur Migrationspolitik durch AfD, CDU/CSU, BSW und FDP

Die Club- und Festivalkultur feiert die Vielfalt und die Gemeinschaft der Gegensätze.
Sie lässt Menschen einander die Hand reichen. Ihre gelebte Diversität ist zugleich ein Wertebekenntnis.

Die Politik der AfD steht für eine gegenteilige Werteagenda des Hasses und der Ausgrenzung. Als Vertreter*innen der Club- und Festivalkultur akzeptieren wir diese menschenfeindlichen Haltungen nicht und stellen uns entschieden einer Erosion unserer demokratischen Grundfeste entgegen, die droht, wenn Parteipolitik betrieben wird, die das Wohlwollen der AfD voraussetzt und das extremistische Framing der Rechtsradikalen übernimmt.

Wir verurteilen daher die gemeinsam mit der AfD erfolgten Abstimmungen über die Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik der CDU/CSU. Die Zustimmung einer rechtsextremen Partei zu einem Gesetzentwurf für ein Zustrombegrenzungsgesetz und den Entschließungsantrag wurde nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern eingesetzt, um einen Gesetzentwurf im Bundestag zu verabschieden. Das ist nicht nur der Kulminationspunkt einer sich immer weiter nach rechts verschiebenden politischen Debatte, sondern gleichzeitig auch ein tiefer Vertrauensbruch mit dem bisherigen Konsens demokratischer Parteien, nicht mir rechtsextremen Fraktionen zu paktieren und zusammenzuarbeiten. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist das staatspolitisch verantwortungslos und in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmalig.

Wir erinnern die demokratischen Parteien an die gesamtdeutsche Verantwortung des Nie Wieder und ihre Pflicht, auf der Basis unserer gesellschaftlichen Grundwerte zu handeln. Eine einmal eingerissene Brandmauer errichtet man nicht so leicht wieder.

Wir stellen uns deshalb entschieden gegen jeden weiteren Versuch, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung durch die gezielte Zusammenarbeit mit Faschisten zu untergraben. Eine weitere Zunahme von rechtsextremem Einfluss auf die Politik der demokratischen Parteien treibt nicht nur die gesamtgesellschaftliche Spaltung weiter voran – auch für die Kultur- und Musiklandschaft befürchten wir mit wachsendem Einfluss der AfD konkret eine Einschränkung der künstlerischen Freiheit und ein Knüpfen von Förderzusagen an ideologische Gesinnung. Ähnliches ist aktuell bereits in Brandenburg und Sachsen zu beobachten. 

Für die deutsche Veranstaltungswirtschaft ist Zuwanderung, ebenso wie die grenzoffene Gemeinschaft der europäischen Staaten, essentiell. Zum einen ist bereits jetzt der Bedarf an Arbeitskräften in der Branche immens. Zum anderen sollen die Werte einer pluralen und weltoffenen Gesellschaft auf und hinter unseren Bühnen gelebt und weiter vermittelt werden.

Als Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland werden wir uns zukünftig noch deutlicher gegen eine weitere Verschiebung des politischen Diskurses und der politischen Agenda nach rechts einsetzen. Wir tolerieren keine rassistischen und menschenfeindlichen Ideologien in unserer Gesellschaft und rufen die Demokrat*innen im deutschen Bundestag auf, die AfD Verbotsanträge mitzuzeichnen, sobald diese parlamentarisch zur Abstimmung stehen.

Wir rufen alle Menschen auf, sich dieser demokratiefeindlichen Entwicklung entgegenzustellen. 

Als Mitinitiator*in der “Stimmt für”-Kampagne unterstützen wir den Aufruf:

Stimmt für Menschenrechte.
Stimmt für den Rechtsstaat.  
Stimmt für Vielfalt und Diversität.
Stimmt für die Gleichstellung aller Menschen.
Die Bundestagswahl kommt, nutzt eure Stimme. Es kommt drauf an!

Gez.

Der Vorstand der LiveMusikKommission e.V. (LiveKomm)

Hamburg / Berlin im Februar 2025