Pressemitteilung – Corona-Enquete: Livemusik-Szene braucht im Pandemiefall flächendeckend verlässliche Hilfe

Flickenteppich und komplizierte Abwicklung gefährden auch heute noch Clubs und Festivals

Die LiveKomm, der Bundesverband der Livemusik-Spielstätten, begrüßt den Einsatz einer Corona-Enquete-Kommission ab September. Um für künftige Pandemiefälle gerüstet zu sein, müssen auch Versäumnisse adressiert werden – denn trotz umfangreicher finanzieller Hilfen litten und leiden Venues unter dem behördlichen Flickenteppich in Zuge der Abwicklung.

Die Corona-Pandemie war ein massiver Einschnitt für die Live-Branche – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strukturell, sozial und psychologisch. Clubs, kleine Konzertbühnen und soziokulturelle Orte waren unter den ersten Einrichtungen, die schließen mussten – und unter den letzten, die wieder ohne Einschränkungen öffnen durften. Die Club-Schließungen, Festival-Absagen und Hilferufe, die wir heute beobachten, sind oft Spätfolgen dieser jahrelangen Belastung.

In der Pandemie konnten Verbände wie die LiveMusikKommission (kurz LiveKomm) als Sprachrohr fungieren und den politischen Dialog intensivieren, um die Anliegen der Kultur zu transportieren. Das war ein Fortschritt. Vielen Musikclubs konnten mit Programmen wie NEUSTART KULTUR über diese schwere Zeit gerettet werden.

Politische Lehren, die aus der Pandemie zu ziehen sind:

  1. Es fehlt nach wie vor ein strukturelles Sicherheitsnetz für private Kulturbetriebe. Hilfen kamen oft zu spät, waren zu bürokratisch oder schlicht nicht auf die Realitäten von nicht-kommerziellen Veranstaltungsbetrieben zugeschnitten.
  2. Einige Bundesländer reagierten relativ schnell und unkompliziert. Die Bearbeitung der Schlussabrechnungen durch die Abwicklungsstellen der Bundesländer erfolgte jedoch höchst unterschiedlich – so entstand eine Ungleichbehandlung der Musikspielstätten. Nicht selten mussten und müssen sich Verwaltungsgerichte in aufwändigen, langwierigen Prozessen damit befassen. Die Unterstützung durch den Staat wurde vielfach herausgestellt, die Rückforderungen stehen weniger im medialen Fokus.

Die sogenannten freiwilligen „Billigkeitsleistungen“ des Staates sahen u.a. ab März/April 2022 sofortige Öffnungspflichten vor. Das Spezifikum von kulturellen Veranstaltungsbetrieben, die nach monatelangem Stillstand ein Live-Programm nicht sofort realisieren können, wird bislang nicht gesehen. 

Zudem wurden in einigen Fällen die Kriterien für die Förderung erst im Nachhinein präzisiert.

  • Es gibt keine Krisenvorsorge für zukünftige Situationen: keine Notfallpläne, keine automatisierten Ausfallfonds, keine abgestimmten Kommunikationswege und keine Hilfsgrenzen. Letztere sollten den höchst unterschiedlichen Bedarfen Rechnung tragen und für Konzerne mit einem Umsatzvolumen von z.B. über 500 Mio. Euro gelten.
  • Die soziale Infrastruktur der Kulturarbeit – also solo-selbstständige Menschen hinter den Kulissen, Technik-Crews, Booker*innen, Awareness-Teams – wurde nicht mitgedacht. Gerade im Vergleich zu antragsstellenden Unternehmen waren die Hilfestellungen für diese Gruppe von Betroffenen mehr als ungenügend.
    Mit dem Arbeitslosengeld II wurden hilfsbedürftige Menschen gebrandmarkt und negativ kategorisiert – mit allen Pflichten.
    Viele haben die Branche verlassen und den Fachkräftemangel verschärft.
  • Es fehlt an verlässlicher politischer Anerkennung: Auch heute, zwei Jahre nach dem Ende der Maßnahmen, kämpfen viele Clubs um existenzsichernde Grundlagen.

Was wünschen wir uns für die Zukunft?

Für den Kultur- und speziell den Clubbereich braucht es:

  • Ein pandemiefestes Förderinstrumentarium, das im Ernstfall greift – ohne monatelanges Warten oder unklare Zuständigkeiten.
  • Rechtssicherheit und Kommunikation: Einheitliche Regelungen, transparente Kriterien, Einbeziehung der Kulturakteure in Entscheidungsprozesse.
  • Nachhaltige Strukturförderung, nicht nur Krisenbewältigung. Wenn wir resiliente Kulturlandschaften wollen, müssen Räume, Personal und Programme langfristig unterstützt werden.
  • Politische Mitgestaltung legitimiert sich durch die Betroffenheit von Entscheidungen: Die Szene hat gezeigt, dass sie Verantwortung übernehmen kann. Dafür sollte ihr auch dauerhaft eine Stimme im politischen Prozess gegeben werden.

In die Arbeit der Enquete-Kommission sollte auch die Perspektive des Kultursektors einfließen. Denn: Die Livekultur ist mehr als nur Nachtleben – sie ist Teil der kulturellen DNA dieses Landes. Wir hoffen, dass die Enquete-Kommission den Mut hat, nicht nur Fehler zu analysieren, sondern auch strukturelle Konsequenzen zu empfehlen.