(Quelle Bundestag.de)
Clubs und Livemusikspielstätten sollten künftig in der Baunutzungsverordnung als kulturelle Einrichtungen und nicht wie bisher als Vergnügungsstätten klassifiziert werden. Darin waren sich Sachverständige in einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen am Mittwoch, 12. Februar 2020, unter Vorsitz von Mechthild Heil (CDU/CSU) einig.
„Clubszene ein Standortfaktor“
So sagte Tine Fuchs, Referatsleiterin Stadtentwicklung, Planungsrecht, Bauleitungsplanung, nationale Verbraucherpolitik beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), für den wünschenswerten Erhalt der Clubkultur seien Änderungen etwa im Baugesetzbuch, beim Lärmschutz und der Stadtentwicklungsplanung nötig. Die Clubszene stelle „einen wichtigen Baustein für das Stadtmarketing“ dar und sei auch mit Blick auf den Fachkräftemangel ein „Standortfaktor“.
Sie seien Teil eines vielfältigen kulturellen Angebots und richteten die Aufmerksamkeit auf „eigentlich vergessene“ Räume in der Stadt. In fast allen Städten herrsche Mangel an Flächen für Wohnungsbau, Industrie und Kultur; es brauche aber eine „ordentliche Nutzungsmischung“.
Gegen „dogmatische Unterscheidung von Kulturstätten“
Der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hopp sagte, die Einordnung der Clubs als Vergnügungsstätten und eine „dogmatische Unterscheidung“ von Kulturstätten sei „nicht sachgerecht“ und überzeuge nicht. Es gebe dazu keine höchstrichterliche Entscheidung, aber eine deutliche Tendenz, bei der vor allem auf die negativen Folgen der Stadtentwicklung wie etwa Verkehr und Lärm abgehoben werde.
Clubs seien dadurch häufig aus den Bebauungsplänen ausgeschlossen und hätten keine Planungssicherheit. Es sei stattdessen ratsam, die Clubs als Einrichtungen für kulturelle Zwecke zu definieren und sie etwa von Diskotheken, die gewerbliche Zwecke erfüllten, abzugrenzen. Ein Kriterium dafür könne etwa die Zahl der Konzerte sein.
„Investor bügelt alle Argumente weg“
Steffen Kache, Clubbetreiber und Vorstandsmitglied des Verbands der Musikspielstätten in Deutschland, berichtete von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Club Distillery in Leipzig. 1992 gegründet, habe sich der Club national und international einen guten Ruf erworben und „die Techno-Szene nach Leipzig geholt“.
Nach einem Umzug gebe es für den Club nun die Unterstützung aus der Politik, der Investor aber, der auf dem Gelände Wohnungen bauen wolle, bügele mit dem Verweis, die Einrichtung sei eine Vergnügungsstätte, „alle Argumente“ weg.
„Keine Gleichstellung mit Bordellen und Spielkasinos“
Auch die Betreiberin des Berliner Gretchen-Clubs, Pamela Schobeß, bezeichnete die Klassifizierung als Vergnügungsstätte als „Art Damoklesschwert“, das über den Clubs schwebe.
Eine „Gleichstellung von Clubs mit Bordellen und Spielkasinos“ sei unangemessen.
„Kommerzialisierung und Mainstreamisierung droht“
Der frühere Clubbetreiber Jakob Turtur warnte davor, dass wenn die Jahrzehnte alte Baunutzungsverordnung nicht verändert werde, eine weitere „Kommerzialisierung und Mainstreamisierung“ drohe.
Schon jetzt würden die Clubs aus dem städtischen Raum vertrieben, weil die Mieten zu hoch seien und Investoren keine langfristigen Mietverträge abschließen würden. Ein diverses Kulturangebot könne so nicht existieren.
Die Oppositionsfraktionen wollen diese Entwicklung nicht hinnehmen.
FDP ( 19/16833), Die Linke ( 19/14156) und Bündnis 90/Die Grünen ( 19/15121) hatten Anträge vorgelegt, nach der Clubs in der Baunutzungsverordnung als Anlagen für kulturelle Zwecke behandelt und Einrichtungen wie Opern, Theatern oder Programmkinos gleichgestellt werden sollen.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion sorgt sich um die Clubkultur. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, die Szene mit einem Maßnahmenbündel zu unterstützen. So solle deren wirtschaftliche Bedeutung als Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Selbstständige gewürdigt werden – etwa mit Erleichterungen bei der Bürokratie und Vereinfachungen bei Steuerregelungen. Des Weiteren sei zu prüfen, ob Clubs als baukulturelles Erbe angesehen werden können, erklären die Abgeordneten in ihrem Antrag ( 19/16833) weiter. In der Baunutzungsverordnung sollten Clubs als „Anlagen für kulturelle und sportliche Zwecke“ neu eingeordnet werden. Lärmrichtwerte sollten gegebenenfalls angepasst werden.
Die Clubszene habe einzigartiges für die Kultur in Deutschland geleistet, heißt es zur Begründung. Sie stehe vor grundlegenden Veränderungen, die es erschwere, den „besonderen Mix aus kreativen und wirtschaftlichen Tätigkeiten fortzuführen“. Diese Veränderungen reichten von demografischen Entwicklungen in den ehemaligen Szenegebieten bis hin zu wirtschaftlichen Herausforderungen und bürokratischem Aufwand.
Antrag der Linken
Die Linke schreibt in ihrem Antrag ( 19/14156), Clubs seien Räume kultureller Vielfalt und verdienten besonderen Schutz. Wegen steigender Miet- oder Pachtgebühren, der Nichtverlängerung von Verträgen und dem Verkauf von Grundstücken müssten allerdings immer mehr Clubs in Deutschland schließen. Daher sollten Clubs als kulturelle Einrichtungen anerkannt und rechtlich Konzertsälen, Opern und Theatern gleichgestellt werden.
In der Baunutzungsverordnung sollten sie als Anlagen für kulturelle und soziale Zwecke behandelt werden und nicht als Vergnügungsstätten. Das Baugesetzbuch soll nach den Vorstellungen der Abgeordneten dahingehend geändert werden, dass Kulturschutzgebiete geschaffen werden und Kulturschutz als Teil der Erhaltungsordnung eingeführt wird. Außerdem plädieren die Abgeordneten für eine neue Baugebietskategorie „Kulturgebiet“, um bestehende Clubs vor Verdrängung zu schützen und die Ansiedlung neuer Clubs auch in Innenstädten zu ermöglichen.
Antrag der Grünen
Auch die Grünen wollen Clubs vor Verdrängung schützen. Clubs und Livemusikspielstätten sollten in der Baunutzungsverordnung kulturellen Einrichtungen wie Opern, Theatern und Programmkinos gleichgestellt werden, heißt es in ihrem Antrag ( 19/15121).
Ein Schallschutzfonds des Bundes oder Mittel aus der Städtebauförderung könnten Clubs beim Optimieren ihres Schallschutzes unterstützen, so die Abgeordneten weiter. Bei der anstehenden Novelle des Baugesetzbuches biete es sich an, Kulturerhaltungsgebiete als mögliche Kategorie einzuführen. (suk/pez/12.02.2020)
Liste der geladenen Sachverständigen
Tine Fuchs, Referatsleiterin Stadtentwicklung, Planungsrecht, Bauleitplanung, nationale Verbraucherpolitik, Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK)
•
Dr. Wolfgang Hopp, Rechtsanwalt für Öffentliches Bau- und Planungsrecht, Besonderes Städtebaurecht, Rechtsanwälte Zenk (Hamburg)
•
Steffen Kache, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands, LiveMusikKommission (LiveKomm) – Verband der Musikspielstätten in Deutschland e. V.
•
Pamela Schobeß, Vorsitzende, Clubcommission Berlin – Verband der Berliner Club-, Party- und Kulturereignisveranstalter e. V.
•
Jakob Turtur, Betreiber des ehemaligen Clubs „Jonny Knüppel“•