Abzugssteuern nach § 50a EStG

Offener Brief an Finanzminister Linder

Sehr geehrter Herr Minister,
die unterzeichnenden Verbände wenden sich heute zu den anhaltenden Problemen beim Abzugsteuerverfahren an Sie. Seit Juni 2021 ist das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) in Kraft. Mit diesem Gesetz haben Sie u. a. eine „Reduzierung und Verschlankung der vorhandenen Verfahren zur Entlastung von der Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a EStG für ausländische Steuerpflichtige sowie stärkere Konzentration beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)“ angekündigt.
Insbesondere für den Steuerabzug nach § 50a EstG entfaltet das Gesetz bisher keinerlei positive Wirkung. Im Gegenteil:

• Die Bearbeitungszeit ist von der Antragsstellung bis zur Erteilung einer Freistellung bzw. bis zur Erstattung auf mittlerweile bis zu 24 Monate angewachsen,
• der Aufwand für die Nachweispflichten ausländischer Lizenzgeber hat sich drastisch erhöht (verlangt werden jetzt z. B. auch Mietverträge und Details zu Geschäftsführungsgehältern),
• die lizenznehmenden Unternehmen in Deutschland sind mit unzumutbaren geschäftsschädigenden Auswirkungen belastet,
• und die auf ihr Geld wartenden Vertragspartner im Ausland drohen an, ihre Lizenzgeschäfte künftig dort zu tätigen, wo das Verfahren deutlich schlanker ist und zuverlässig funktioniert.

Es liegt auf der Hand, dass hierdurch massive Wettbewerbsnachteile erzeugt werden und nicht zuletzt der Wirtschaftsstandort Deutschland ein weiteres Mal Schaden nimmt. Gleichzeitig werden bürokratische Mehraufwände erzeugt und Kapital in Millionenhöhe gebunden, das die Unternehmen zum Wirtschaften brauchen.
Ihnen und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ist die Problematik hinlänglich bekannt, da Ihr Haus bereits mehrfach dazu im Bundestag Stellung nehmen musste und die einzelnen betroffenen Branchen Sie seit Monaten bitten, Abhilfe zu schaffen. Laut eigenen Angaben des BZSt gehen jährlich rund 40.000 Freistellungsanträge und Abzugsteueranmeldungen und 20.000 Entlastungsanträge im Referat St II 9 ein, die bearbeitet werden müssen. Die mit dem Wachstumschancengesetz vorgenommene Schwellenwertanhebung von 5.000 € auf 10.000 € wird für die kleinen und mittleren Unternehmen der Kreativwirtschaft keine nennenswerte Entlastung bringen und weiterhin kein „equal level playing field“ mit innereuropäischen Wettbewerbern ermöglichen.
Leider wurden bisher keine substanziellen Lösungsvorschläge seitens des BMF oder des BZSt vorgetragen. Die bisherigen Antworten Ihrer Staatssekretärin, Frau Prof. Dr. Hölscher, und des BZSt verweisen auf technische Probleme sowie personelle Engpässe und gehen von einer mittel- bis langfristigen Problemlösung aus. Eine zeitnahe Beschleunigung der Antragsbearbeitung ist offenbar nicht vorgesehen.
Wir sehen folgende Bereiche, in denen unbedingt kurzfristig Abhilfe geschaffen werden muss, um die Wirtschaft ebenso wie das BZSt kurzfristig zu entlasten

  1. Vereinfachung bei Wiederholungsanträgen: Bis auf Weiteres sollten grundsätzlich
    Genehmigungen von Anschlussfreistellungen erfolgen, soweit keine Änderung des Sachverhalts
    vorliegt (Vertragsparteien und Vertrag wurden bereits beim Erstantrag im Detail geprüft).
  2. Abfrage und Prüfung von Angaben bei Anträgen mit einer einzigen Vertragspartei zu unter-
    schiedlichen Vergütungsanlässen: Die hierfür zurzeit erforderlichen Angaben sind für die
    Freistellungserklärung dem Grunde nach irrelevant. Die Antragssteller müssen zum Beispiel Details zum Vergütungsgegenstand nachweisen und für jeden Vergütungsanlass neu beantragen, selbst wenn die Vertragsparteien stets dieselben sind oder viele einzelne Vergütungsanlässe in einem umfassenden Vergütungsantrag (z. B. bei einer Konzerttournee) gebündelt werden. Dabei ist für die Freistellungserklärung im Kern nur relevant, in welchem Land der Steuerschuldner steuerpflichtig ist und ob mit diesem Land ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht.
    Aus unserer Sicht müssten daher, ebenso wie zum Beispiel im Bausektor, die Freistellungsanträge bezüglich des Vergütungsgegenstands / Lizenznehmers unbestimmt sein können und gleichzeitig für drei Jahre erteilt werden („Masterfreistellung“). Das würde den Prüfungsaufwand erheblich senken und die Anzahl der Wiederholungsanträge und gleichlautenden Anträge erheblich minimieren.
    Für diese Maßnahmen wäre keine Gesetzesänderung notwendig. Sie würden die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung nicht gefährden. Die Behörde wie auch die Wirtschaft würden sofort entlastet und künftiger Bearbeitungsstau verhindert.
    Darüber hinaus sehen wir zwingend mittelfristigen Handlungsbedarf, um sicherzustellen, dass es bei beim Quellensteuerverfahren überhaupt zu den angekündigten dauerhaften Erleichterungen für die Unternehmen kommen kann:
  3. Kleinstbeträge (Fälle von geringer steuerlicher Bedeutung): Hierfür sollte der Aufwand für die Freistellungsberechtigten entsprechend dem früheren Kontrollmeldeverfahren auf ein Minimum reduziert werden.
  4. Aufgrund der globalen Einführung einer Minimumbesteuerung und der bestehenden EU-Blacklist sollte es zudem langfristig zur Freistellungsgenehmigung nur der Vorlage einer
    Ansässigkeitsbescheinigung und eine Beneficial Ownership-Erklärung bedürfen. Dies ist auch im Vergleich zu anderen Ländern folgerichtig. Die höchst bürokratischen Anforderungen in Deutschland sind in dieser Hinsicht einzigartig.
  5. Die mit dem Wachstumschancengesetz verbundene Anhebung des Schwellenwertes von 5.000 Euro auf 10.000 Euro ist unzureichend, weil der Betrag immer noch weit unter der
    Wirtschaftlichkeitsgrenze selbst für kleine und mittlere Unternehmen liegt. Der Gesetzgeber sollte im Sinne von Bürokratieabbau und Wettbewerbsfähigkeit schnellstmöglich nachbessern und die Schwelle auf 50.000 Euro anheben.
  6. Schließlich regen wir an, dass Online-Registrierungsverfahren auf seine Effektivität zu prüfen. Allein das Registrierungsverfahren dauert derzeit bis zu 6 Wochen. Ebenso machen wir die Erfahrung, dass viele Antragssteller auch formal am Registrierungsverfahren scheitern. Für den Bereich der natürlichen Antragssteller bedarf es zudem einer vereinfachten Antragsstellung bspw. mittels eines vereinfachten Formulars. Das derzeitige Portal des BZSt und sein aktualisiertes Eingabeverfahren ist weder zeitgemäß noch durch seine Nutzungsvorgaben und -Einschränkungen an betrieblichen Abläufen orientiert. Es verursacht allein dadurch einen enormen Mehraufwand bei den Unternehmen.

Sehr geehrter Herr Lindner, Sie haben zuletzt bei den Beratungen zum Bundeshaushalt 2024 deutlich gemacht, dass es auch in Zukunft kaum möglich sein wird, die Wirtschaft finanziell mit Subventionspaketen oder Ähnlichem zu unterstützen. Entlastungen stellen Sie vor allem durch geplante Maßnahmen zur Entbürokratisierung in Aussicht. Wir appellieren dringend an Sie, die naheliegende und notwendige Chance zu ergreifen und die deutsche Wirtschaft beim Abzugsteuerverfahren tatkräftig zu entlasten.
Zur vertieften Diskussion über Lösungsmöglichkeiten der Problematik stehen wir Ihnen und Ihrem Haus jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung und bitten um einen Termin.